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Handelsvertreter oder Arbeitnehmer – Selbständigkeit als entscheidendes Kriterium

Handelsvertreter oder Arbeitnehmer – eine für Unternehmen wichtige Frage. Viele Unternehmen setzen beim Vertrieb ihrer Produkte auch auf „externe Vertriebsmittler“, insbesondere Handelsvertreter. Schließlich haben sich Handelsvertreter bei der Produktvermarktung in vielen Industriezweigen bewährt, da sie auf der Basis von Provisionen arbeiten und zum Teil einen eigenen Kundenstamm in den Vertrieb einbringen.

Handelsvertreter werden von europäischem und deutschem Recht besonders geschützt. Viele Gerichtsentscheidungen befassen sich daher immer wieder mit dem Handelsvertreterrecht und der Frage, ob jemand Handelsvertreter oder Arbeitnehmer ist. Lesen Sie im Folgenden die neuesten Rechtsentwicklungen zu der Frage „Handelsvertreter oder Arbeitnehmer“.

Handelsvertreter oder Handelsmakler

Vor der Frage Handelsvertreter oder Arbeitnehmer bereitet in der Praxis jedoch häufig die Unterscheidung zwischen Handelsvertreter und Handelsmakler größere Schwierigkeiten. Handelsvertreter und Handelsmakler werden in fremdem Namen und für fremde Rechnung tätig. Beide erhalten für ein abgeschlossenes Geschäft eine Provision, an dem eigentlichen Geschäft ist jedoch keiner von beiden beteiligt. Dieses kommt nur zwischen dem Unternehmen und dem Kunden zustande. Aber: Handelsvertreter ist nur, wer als selbständig Tätiger ständig für ein anderes Unternehmen Verkaufsgeschäfte mit Kunden anbahnt und vermittelt.

Der Handelsvertreter „muss“, der Handelsmakler „darf“ sich ständig um die Vermittlung von Geschäften bemühen. Der Handelsmakler ist eben nicht ständig verpflichtet, einen Geschäftsabschluss herbei zu führen, sondern wird in der Regel gegenstandsbezogen tätig. Hier kommt es nach einer neuen Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil vom 27. Mai 2016, Az: I-16 U 187/14) weniger auf den geschriebenen Vertragstext oder die eigene Auffassung der Parteien an als vielmehr auf das Gesamtbild, wie die Zusammenarbeit tatsächlich gelebt wird. Für ein Unternehmen ist der Einsatz eines Handelsmaklers günstiger, weil dem Handelsmakler kein Recht auf Buchauszug und auch kein Ausgleichsanspruch zustehen.

Handelsvertreter oder Arbeitnehmer?

Eines der am häufigsten diskutierten Probleme im Handelsvertreterrecht ist die Frage, ob ein Unternehmen Handelsvertreter oder Arbeitnehmer beschäftigt hat. In der Regel wird diese Frage wichtig, wenn sich beide Seiten zerstritten haben. Die Qualifizierung als Handelsvertreter oder Arbeitnehmer hat erhebliche Relevanz für viele rechtliche Fragen.

Arbeitsrecht oder HGB

Handelsvertreter sind keine Arbeitnehmer und daher findet auf sie das Arbeitsrecht grundsätzlich keine Anwendung. Vielmehr werden die einschlägigen Vorschriften des Handelsrechts aus dem Handelsgesetzbuch, kurz HGB, angewandt. Im HGB sind die Rechte und Pflichten des Handelsvertreters und des Unternehmers genau geregelt, wie etwa Ansprüche auf Provision für Geschäfte oder auf Ersatz für Aufwendung, Regelungen bei Vertragskündigung und Ausgleichszahlungen sowie Wettbewerbsabreden nach Vertragsende.

Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Unternehmen und dem angestellten Arbeitnehmer wird dagegen im Arbeitsrecht geregelt. Es beinhaltet Gesetze, Verordnungen und sonstige Bestimmungen zur nicht selbstständigen, abhängigen Tätigkeit. Im Gegensatz zum HGB steht hier der Arbeitnehmerschutz im Vordergrund, wie etwa Arbeitsverträge, Arbeitszeiten, Kündigungsschutz oder auch Tarifverträge. Im Arbeitsrecht wird zwischen dem Individualarbeitsrecht, das das Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer regelt, und dem Kollektivarbeitsrecht, das das Arbeitsverhältnis zwischen den Arbeitgebern und den Vertretungsorganen der Arbeitnehmenden (z.B. Betriebsrat, Personalrat oder Gewerkschaft) regelt, unterschieden.

Daraus folgen unterschiedliche Ansprüche

Der Arbeitnehmer hat, ab einer bestimmten Beschäftigtenanzahl im Unternehmen, den Schutz des Kündigungsschutzgesetzes. Er kann also nur bei einem wichtigen Grund entlassen werden, während der Handelsvertreter nur von der Dauer das Handelsvertreterverhältnis gestaffelten Kündigungsfristen profitiert. Eines Kündigungsgrunds bedarf es nicht. Nach der Beendigung der Zusammenarbeit steht dem Handelsvertreter – wenn der Unternehmer nicht aus wichtigem Grund gekündigt hat – ein Ausgleichsanspruch nach HGB zu, während der Arbeitnehmer „nur“ eine Abfindung verlangen kann. Der Handelsvertreter hat weitreichende und für den MI-Unternehmer teilweise „schmerzhafte“ Informationsrechte, insbesondere auf Erteilung von Buchauszug, während dies dem Arbeitnehmer nicht zusteht.

Selbstständige Arbeit

Die Unterscheidung zwischen Handelsvertreter oder Arbeitnehmer wird in der Regel an der „Selbständigkeit“ festgemacht. Hierbei kommt es weder auf die gewählten Formulierungen im Vertrag noch die eigene Einschätzung der Parteien an. Entscheidend ist stets, ob sich aus der Durchführung des konkreten Vertrags und damit aus dem Gesamtbild der Zusammenarbeit die erforderliche (Un-)Selbständigkeit als Handelsvertreter oder Arbeitnehmer ergibt. Der Arbeitnehmer ist in den Betrieb des Unternehmens eingegliedert und unterliegt hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung einem umfassenden Weisungsrecht des Unternehmens als Arbeitgeber. Die Selbständigkeit des Handelsvertreters ist dagegen geprägt von Unternehmerrisiko, dem Betrieb einer eigenen Betriebsstätte sowie seiner freien Verfügungsmöglichkeit über Arbeitszeit und Arbeitsort. Entscheidend für die Frage nach Handelsvertreter oder Arbeitnehmer ist, ob die einen oder die anderen Merkmale bei der Tätigkeit überwiegen.

Das Landesarbeitsgericht Hamm etwa hat im Juni 2017 (Urt. v. 7. Juni 2017, Az: 14 Sa 936/15) festgestellt, dass ein an sich selbständiger Handelsvertreter Arbeitnehmer sein kann, wenn er dem Unternehmer uneingeschränkt zur Verfügung stehen muss, um Termine wahrzunehmen, die ihm das Unternehmen zuweist. Er kann dann über seine Arbeitszeit nicht mehr frei bestimmen. Die so genannte Zeithoheit ist daher ein sehr wichtiges Kriterium bei der Abgrenzung zwischen Handelsvertreter und Arbeitnehmer.

Hauptberuflichkeit

Problematisch kann auch sein, wenn das Unternehmen von seinen Handelsvertretern verlangt, hauptberuflich für das Unternehmen tätig zu sein. Sie können dann so genannte „Einfirmenvertreter“ sein. Ist dies gleichbedeutend mit dem vertraglichen Verbot, für weitere Unternehmen tätig zu werden, oder ist dies dem Handelsvertreter nach Art und Umfang der von ihm verlangten Tätigkeit nicht möglich, kann nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 21. Oktober 2015, Az: VII ZB 8/15) ebenfalls ein Arbeitsverhältnis vorliegen.

Fazit

Besonders im Vertrieb spielen Handelsvertreter eine wichtige Rolle. Sie sind zunächst günstiger für die Unternehmen, denn in der Regel werden sie nur dann mit einer Provision am Umsatz beteiligt, wenn sie Geschäfte abschließen und Produkte oder Dienstleistungen an den Kunden verkaufen. Die Rechtsprechung wird sich entsprechend weiterhin mit Fragen des Handelsvertreterrechts befassen. Handelsvertreterrecht dient in erster Linie dem Schutz des Handelsvertreters, so dass der Unternehmer in vielen Fällen von den gesetzlichen Bestimmungen nicht abweichen kann. Wie wenig vertragliche Regelungen wert sind, kann sich insbesondere bei der Abgrenzung als Handelsvertreter oder Arbeitnehmer zeigen. Hier kommt es entscheidend auf das Gesamtbild der Selbständigkeit der Tätigkeit an, hier insbesondere auf die Zeithoheit.

Anwalt Gesellschaftsrecht und Handelsrecht

Dr. Andrelang, LL. M.

Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

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