##1. Generelles Verbot des Verkaufs über online-Marktplätze
Der Verkauf von Waren über online-Marktplätze ist vielen Herstellern seit Langem ein Dorn im Auge. Viele online-Marktplätze haben immer noch den Nimbus der – zu Recht oder zu Unrecht – der Verramschung und des „Flohmarkts“. Viele Hersteller ergreifen die Flucht in den selektiven Vertrieb um den online über Händler-online shops oder Marktplätze generell auszuschließen. Mit wenig Erfolg.
Ein Sportartikelhersteller untersagte seinen Händlern im Rahmen seines selektiven Vertriebssystemns den Vertrieb über online-Marktplätze ohne Ausnahme. Dies hat das nach Auffassung des Bundeskartellamts schwerwiegende Wettbewerbsbeschränkungen zur Folge. Zwar wiederholt das Bundeskartellamt in seiner Pressemitteilung vom 28. April 2014 die klare Rechtslage, dass Hersteller ihre Händler nach bestimmten Kriterien auswählen und Qualitätsanforderungen aufstellen dürfen. Das Verbot, online-Marktplätze und Preisvergleichsportale zu nutzen, diene jedoch der Kontrolle des Preiswettbewerbs, was kartellrechtlich schlicht nicht durchsetzbar ist. Auch Verbote, die Marken des Herstellers auf Internetseiten Dritter zu nutzen oder sehr ausdifferenzierte Vertriebssysteme mit mehr als 20 Händlerkategorien sind von der Freistellung von kartellrechtlichen Verboten nicht gedeckt (Bundeskartellamt, Pressemitteilung vom 28. April 2014). Der Ausgang eines Verfahrens gegen einen weiteren Sportartikelhersteller steht noch aus.
Am 5. Juni 2014 hat das OLG Schleswig (Urteil, Az: 16 U (Kart) 154/13) klar gestellt, dass ein Markenhersteller den Verkauf seiner Produkte über Internetplattformen als Ganzes nicht ausschließen darf. Zugleich bestätigte das OLG Schleswig, dass Beschränkungen des online-Vertriebs nur als Qualitätsanforderungen im Rahmen von selektiven Vertriebssystemen zulässig sein, wenn diese Qualitätsanforderungen nicht über die an den stationären hinausgehen. Ohne eine solche selektive Beschränkung auf bestimmte Vertriebspartner sind Beschränkungen des Internethandels unzulässig.
##2. Qualitätskriterien im Rahmen selektiver Vertriebssysteme
Das KG Berlin in seiner rechtskräftigen Scout-Entscheidung vom September 2013 ebenfalls bestätigt, dass Qualitätsmerkmale für die Händlerauswahl vertriebskartellrechtlich in Ordnung sind. Erforderlich ist jedoch, dass sie diskriminierungsfrei bei der Händlerauswahl und auch bei der Umsetzung des Vertriebssystems angewendet werden. Dies ist nicht der Fall, wenn Händlern der Vertrieb über online-Marktplätze untersagt wird, der Hersteller die Produkte in Discountmärkten anbietet, ohne dies auf Auslaufmodelle zu beschränken (KG, Urt. v. 19.9.2013, 2 U 8/09).
In seinem Fallbericht vom 24. Oktober 2013, Az: B7-1/13-35 hat das Bundeskartellamt zu einer weiteren Variante von Verbotsklauseln Stellung genommen. Dort war den Händlern der Vertrieb der Vertragsprodukte über einen online-Marktplatz als „Drittem“ zwar erlaubt, aber an so strenge Kriterien geknüpft, dass der online-Vertrieb der Händler faktisch erheblich eingeschränkt war. Zugleich war der Betreiber dieses online-Marktplatzes jedoch selbst als Händler und damit mit seinem eigenen online-Marktplatz zugelassen. Dies hat das Bundeskartellamt beanstandet, so dass die Nutzung eines online-Marktplatzes dann nicht untersagt werden kann, wenn der Betreiber dieses online-Marktplatzes als Händler voll in den elektronische Vertrieb des Herstellers integriert ist. Solche Klauseln sollten daher vermieden oder „aufgehoben“ werden, indem gegenüber Händlern klar gestellt wird, dass sie der Hersteller auf die entsprechende Klausel nicht mehr berufen wird.
##3. Verbot der Benutzung von Preisvergleichsanbietern
Das Verbot gegenüber Händlern, Preisvergleichsanbieter zu nutzen, stellt nach der Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom 28. April 2014, wie oben dargestellt, für sich genommen ebenfalls eine unzulässige Kernbeschränkung des Wettbewerbs dar. Der Verdacht, dass der Preiswettbewerb durch einen solches Verbot kontrolliert werden soll, liegt nahe. Auch ohne die Verbindung mit weiteren Beschränkungen des online-Vertriebs ist diese Klausel daher kritisch.
##4. Bestpreis- und Preisparitätsklauseln
Auch Preisparitäts- und Bestpreisklauseln sind kartellrechtlich kritisch.
Ein führender Betreiber eines online-Marktplatzes hat seinen Nutzern in seinen Vertragsklausel die Pflicht zur Preisparität auferlegt. Danach waren die Händler, die den online-Marktplatz nutzten, verpflichtet, alle Produkte, die auf diesem online-Marktplatz angeboten wurden, online – also entweder auf anderen online-Marktplätzen oder in eigenen online-shops, nicht günstiger anzubieten. Dies stellt nach dem Fallbericht des Bundeskartellamts eine horizontal wirkende Kernbeschränkung zwischen Wettbewerbern dar, die für die Effizienz dieses konkreten online-Marktplatzes weder unerlässlich sei noch eine angemessene Verbraucherbeteiligung sicherstellt (Bundeskartellamt, Fallbericht B6-46/12 vom 26 November 2013). Es fehle bereits an einer vertikalen Vereinbarung über mehrere Marktstufen, da die Nutzer und der Betreiber Wettbewerber waren. Nach einer entsprechenden Ermittlung des Bundeskartellamts hat der Marktplatzbetreiber die Verpflichtung seiner Händler zur so genannten Preisparität auf dem aufgegeben.
Das Bundeskartellamt setzte sich auch mit Bestpreisklauseln eines Hotelportals auseinander (Bundeskartellamt, Fallbericht B9-66/10 vom 5. März 2014). Nach dieser Bestpreisklausel waren Hotelunternehmen verpflichtet, jedenfalls auch über das Hotelportal den jeweils niedrigsten Hotelzimmerpreis, die höchstmögliche Zimmerverfügbarkeit und die jeweils günstigsten Buchungs- und Stornierungskonditionen anzubieten. Das Bundeskartellamt hat die Durchführung dieser Klausel am 20. Dezember 2013 untersagt, weil das Hotelportal einen Marktanteil von über 30% habe, so dass eine Freistellung nach der Vertikal-GVO nicht möglich sei. Auch eine Einzelfreistellung käme nicht in Betracht. Zudem liege eine unbillige Behinderung kleinerer und mittlerer Hotelunternehmen vor. Hiergegen hat das Hotelportalbeschwerde eingelegt. Bestpreisklauseln sind also ab einer Marktstärke von über 30% kritisch. Liegt der Marktanteil darunter, ist eine Freistellung nach dem Fallbericht des Bundeskartellamtes zumindest nicht ausgeschlossen, weil auch das Bundeskartellamt insoweit nicht von einer Kernbeschränkung ausgeht.
##5. Doppelpreissystem, hier Funktionsrabatte für Hybridhändler
Manche Hersteller vermeiden eine direkte Einflussnahme auf die Internetpräsenz ihrer Händler. Sie gehen daher indirekt vor, indem sie wirtschaftliche Anreize für ihre Händler, zum Beispiel in Form von Funktionsrabatten, setzen, ihr Umsatz über das Internet möglichst gering zu halten.
Ein Hersteller von Hausgeräten hatte in seinen Jahresvereinbarungen mit den Fachhändlern, die die Hausgeräte sowohl im Ladengeschäft als auch im Internet anboten (so genannte Hybridhändler) Leistungsrabatte eingeführt. Diese Leistungsrabatte knüpften am Herstellerabgabepreis an und waren umso geringer, je mehr Umsatz der Fachhändler über seinen Internet-shop erzielte. Nach Auffassung des Bundeskartellamtes handelte es sich hierbei wirtschaftlich um ein kartellrechtlich verbotenes Doppelpreissystem: In einem Doppelpreissystem werden einem Händler wirtschaftlich, etwa über unterschiedliche Rabatte, unterschiedliche Einkaufspreise gewährt. Es setzt daher dem jeweiligen Fachhändler Anreize, den Verkauf der Hausgeräte über das Internet einzuschränken oder gar nicht aufzunehmen. Dies stellt eine indirekte Beschränkung des Internetvertriebs dar. Rabatte dürfen daher nicht an die Differenzierung stationärer Handel / Internet-Handel geknüpft werden (Bundeskartellamt, Fallbericht B7-11/13 vom 23. Dezember 2013).
Auch ein Markenhersteller von Gartenprodukten hatte gestaffelte Funktionsrabatte für seine Hybridhändler eingeführt. Der Rabatt hing davon ab, ob das jeweilige Produkt im stationären Handel oder im online-Shop des Händlers an die Endkunden abgegeben wurde. Den vollen Rabatt konnte der Händler dabei nur erreichen, wenn er das Produkt im stationären Handel vertrieb. Auch hierbei handelt es sich um ein Doppelpreissystem, dass das Bundeskartellamt beanstandete (Bundeskartellamt, Fallbericht B5-144/13 vom 27. November 2013).
###Zusammenfassung
Beschränkungen des Internethandels sind im Rahmen des selektiven Vertriebs zulässig, wenn es sich hierbei um Qualitätsanforderungen handelt, die (i) denen an den stationären Handel entsprechen und (ii) der Hersteller selbst beachtet. Außerhalb von selektiven Vertriebssystems sind Beschränkungen in der Regel unzulässig. Dies gilt entsprechend für Plattformverbote. Sonstige flankierende Klauseln wie Bestpreis- oder Preisparitätsbestimmungen können kritisch sein. Dies gilt auch für das Verbot für die Nutzung von Preisvergleichsportalen.