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Preiserhöhung – Lieferstopp, Weitergabe, Schadensersatz

Das Thema Preiserhöhung beschäftigt gegenwärtig sämtliche Branchen und Industrien. Dabei sind stabile Preise die Grundlage für eine stabile Geschäftsbeziehung. Feste Einkaufspreise während der Vertragslaufzeit sind Basis für Kalkulation von Marge und Verkaufspreise. Verhandlungen des Einkaufspreises bzw. der Verkaufspreise gegenüber der nächsten Handelsstufe sind wichtigstes Thema in den jeweiligen Jahresgesprächen. Auf sie verlassen sich Unternehmer, die als Einkäufer von Waren und Leistungen und Verkäufer von Produkten auf dem Markt agieren. Die Preise für Rohstoffe, Lebensmittel oder Papier sind während der Corona-Pandemie stark gestiegen, ebenso die Transportkosten und Strompreise. Eine starke Nachfrage und die Unterbrechung von Lieferketten sorgen für Lieferengpässe in nahezu allen Branchen. Lieferanten sehen sich gezwungen, Preiserhöhungen an ihre Kunden weiterzugeben und Kontingente festzulegen – beides oft gegen klare vertragliche Regelungen. Fast jedes Unternehmen ist von Lieferengpässen und Preissteigerungen sowohl im Einkauf als auch im Verkauf betroffen. Der Einkauf versucht, Preiserhöhungen des Lieferanten abzuwehren. Der Verkauf versucht, den Schaden zu minimieren und die Preiserhöhung mit einer angemessenen Frist an die Kunden abzuwälzen. Alle lehnen Preiserhöhungen ab, beharren auf den vertraglichen Vereinbarungen und machen Schadensersatz geltend. Wie sollen Unternehmer mit dieser Situation umgehen, wenn der Einkaufspreis steigt, aber der Verkaufspreis nicht angepasst werden kann?

Als Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht berate ich seit Langem einer Vielzahl meiner Mandant in solchen Fragestellungen. Wichtig ist, die Situation des Einkäufers und des Verkäufers in die rechtliche Prüfung einzubeziehen. Entsprechend müssen die vertraglichen Regelungen und gesetzliche Schadensersatzansprüche geprüft werden. Wo die vertraglichen Regelungen  – wie oft – lückenhaft sind, ist gesetzliches Recht, insbesondere des BGB, entscheidend.

Vertragliche Klauseln zu Preisanpassung

Klauseln, mit denen Unternehmen Preisanpassungen thematisieren möchten, finden sich vor allem in allgemeinen Geschäftsbedingungen. Auch hier ist zwischen Einkauf und Verkauf zu unterscheiden. In Allgemeinen Einkaufsbedingungen wird ein Anspruch auf Preiserhöhungen, ja sogar generell auf Preisanpassungen, generell ausgeschlossen. Es ist ja gerade das Ziel des Einkaufs, mit stabile Einkaufspreisen kalkulieren zu können. Nur so lassen sich intern vorgegebene Handelsspannen erzielen. Klauseln, mit denen eine Steigerung der Einkaufspreise abgewehrt werden soll, sind in allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam.

Preisanpassung in AGB

In Allgemeinen Verkaufsbedingungen dagegen ist oft die Möglichkeit vorgesehen, das der Verkäufer Preise nachträglich erhöhen darf, ohne dass ein Anspruch auf Schadensersatz oder sonstige Entschädigung besteht. Der Verkäufer möchte so in seinem Vertrag dem Risiko begegnen, dass seine eigenen Kosten steigen. Gegenüber Verbrauchern sind nachträgliche Preisanpassungen nur in engen Grenzen zulässig. In einer Fallgruppe ist Voraussetzung, dass zwischen Abschluss des Vertrags und der Lieferung vier Monate liegen. In einer anderen Fallgruppe handelt es sich um langfristige Verträge, etwa die Stromlieferung. 

AGB-Klauseln, die die nachträglich Erhöhung des vereinbarten Preises im b2b-Bereich, also unternehmerischen Verkehr ermöglichen sollen, sind ebenfalls nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mehrfach entschieden, dass die Klausel in den allgemeinen Verkaufsbedingungen nicht nur die Preissteigerung, sondern auch die Preissenkung ermöglichen muss. Die Klausel muss eine nachträgliche Anpassung des Preises folglich in beiden Richtungen zulassen. Eine weitere Voraussetzung ist die Transparenz der Preisänderung. Die Regelung muss daher nach dem BGH klar darlegen, aus welchen Gründen und in welchem Umfang eine Preisanpassung erfolgt. Die Anpassung der alten Preise muss etwa auf konkret zu nennenden Kostensteigerungen beruhen, kann sich hierbei jedoch an Änderungen eines Branchenindexes orientieren. Zudem muss bestimmt sein, wie hoch die Preisanpassung ausfällt, etwa in Prozentangaben, und wann sie wirksam werden soll. Anpassung mit Rückwirkung sind dabei deutlich kritischer als eine Preisanpassung in der Zukunft. Zudem darf eine Preiserhöhung nicht dazu führen, dass der Verkäufer seinen Gewinn erhöht. Jede Preisanpassung muss daher generell die Interessen der anderen Vertragspartei berücksichtigen. Oft ist in Preisanpassungsklauseln auch geregelt, dass der Käufer die Kündigung des Vertrags erklären oder ein Rücktrittsrecht ausüben kann, wenn er die Preisanpassung nach oben nicht akzeptieren will. 

Vertragliche Regelung für Preisanpassungen

Eine zulässige Preiserhöhung ist in AGB daher an viele Voraussetzungen geknüpft, die im Geschäftsverkehr nicht selten hinter den Anforderungen der Rechtsprechung zurückbleiben. Haben sich Anbieter und Kunde jedoch zusammengesetzt, Regelungen für Änderungen der Einkaufspreise des Kunden verhandelt und eine individuelle Regel untereinander abgestimmt, gelten die oben genannten Voraussetzung nicht. Diese gelten nur im Fall von vorformulierten AGB. 

Zudem schützt der gewerbliche Rechtsschutz nach dem UWG ebenfalls vor Preiserhöhungen. Das Verlangen einer Erhöhung des Bezugspreises kann für sich genommen unlauter sein. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der Hersteller oder Lieferant seinen Abnehmer nötigt, etwa wenn er ihm mit einem Lieferstopp droht. In diesem Fall kann der Käufer nach UWG Unterlassung und Schadensersatz verlangen, weil der Verkäufer eine Verletzung seiner Pflicht zur Lieferung nach dem Bezugspreis begeht. Er schuldet dann auch Schadensersatz in Form von entgangenem Gewinn, etwa weil der Käufer ein teures Angebot eines Drittlieferanten annehmen muss, um sich nicht selbst dem Schadensersatzanspruch seines eigenen Abnehmers auszusetzen.

Preisanpassung nach dem BGB

Ohne vertragliche Regelungen ist es in der Praxis schwer, die Einkaufspreise des Kunden einseitig zu erhöhen. Treffen Lieferant und Kunde eine vertragliche Vereinbarung, ist diese die Grundlage für eine nachträgliche Preiserhöhung. Das BGB lässt dagegen keine einseitige Preissteigerung zu. Die Verhandlung der Einkaufspreise und Verkaufspreise kann nur durch Vertrag erfolgen, weil der Preis immer durch die Parteien festgesetzt wird.

Störung der Geschäftsgrundlage

Gegenwärtig wird ein Grund für eine Adaption der Einkaufspreise in der Corona-Pandemie gesehen, die für niemanden in ihren Auswirkungen und ihrer Dauer vorhersehbar war. Oftmals wird daher als Ersatz für eine vertragliche Regel eine Störung der Geschäftsgrundlage behauptet. Damit wird man vor Gericht in vielenFällen jedoch nur schwer Erfolg haben. Störungen der Geschäftsgrundlage kommen nur dann in Betracht, wenn die Störung nicht in die kaufmännische Risikosphäre einer der Parteien fällt. Das Problem schwankender Einkaufspreise für Rohstoffe ist aber gerade ein typisches Problem des Lieferanten. Er kann dieses Risiko nicht auf seine Kunden abwälzen. Dass er aufgrund der gegenwärtigen Rohstoff- und Teileknappheit der Geschädigte ist, ist grundsätzlich hinzunehmen. Auch steigende Inflation etwa ist Teil des kaufmännischen Risikos und fällt somit in die Sphäre der Parteien. Eine Störung der Geschäftsgrundlage ist hierin nicht zu sehen.

Wirtschaftliche Unmöglichkeit

Bei Lieferengpässen oder gar dem Ausfall von Lieferungen argumentieren viele Lieferanten auch mit wirtschaftlicher Unmöglichkeit. Unmöglichkeit liegt nur dann vor, wenn mangels Eigenbelieferung die Herstellung und Lieferung der Ware nicht bewerkstelligt werden kann. In diesen Fällen besteht jedoch in der Regel kein Preisanpassungsrecht. Auch wenn die Rohstoff- und Teilepreise so stark gestiegen sind, dass ein Unternehmen nur mit Verlust herstellen und liefern kann, ist zwar faktisch unmöglich, wirtschaftlich zu arbeiten. Dies reicht jedoch für wirtschaftliche Unmöglichkeit im rechtlichen Sinne regelmäßig nicht aus. Denn in diesen Fällen kann der Schuldner noch leisten, auch wenn es sich für ihn nicht mehr lohnt. Die Rechtsprechung ist daher sehr zurückhaltend, selbst bei einer exorbitanten Preissteigerung von wirtschaftlicher Unmöglichkeit zu sprechen.

Höhere Preise nach Vertragsschluss durchzusetzen, ist folglich schwierig. Im Rahmen eines wirksamen Kaufvertrags sind die Preise fest vereinbart. Eine Ausnahme besteht bei so genannten Dauerverträge, etwa Vertragshändlerverträgen. Dort wird oft auf eine Preisliste Bezug genommen. Hier stellt sich vor Gericht oft das Thema, ob die Preisliste zu Vertragsbeginn gemeint ist oder ob der Unternehmer diese regelmäßig austauschen und so die Preise anpassen darf. Die Gerichte haben hier die Tendenz, ein Preisanpassung durch den Verweis auf die jeweils gültige Preisliste als wirksam anzusehen. Der Vertragshändler kann daher, wenn er die Preise nicht an seine Kunden weitergeben kann, keinen Schaden geltend machen. Ein Anspruch auf Beibehaltung der alten Preisliste steht dem Einzelhandel regelmäßig nicht zu, auch wenn sich seine Marge verringert.

Ausnahme höhere Gewalt

Bei höherer Gewalt, auch “force majeure” genannt (lesen Sie hier mehr zu “force majeure und Lieferanspruch“), liegt die Rechtslage, insbesondere hinsichtlich Schadensersatz, jedoch im Einzelfall möglicherweise anders. Höhere Gewalt sind alle Ereignisse, die sich der Kontrolle der Vertragsparteien entziehen. Als Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht ist die Prüfung und Gestaltung von vertraglichen Regelungen zu höherer Gewalt wichtiger Beratungsbestandteil, sowohl bei der Vertragsgestaltung, den Vertragsverhandlungen und der Prüfung, ob ein Schadensersatzanspruch besteht . Das BGB enthält keine unmittelbaren Regelungen höherer Gewalt, so dass vertragliche Vereinbarungen hierzu zu empfehlen sind. Die Regelungen des BGB enthalten allenfalls Vorschriften zur vorübergehenden Unmöglichkeit, die aber nicht auf Fragen der Preisregelung passen. Aber oft ist das BGB nicht anwendbar. Höhere Gewalt ist aber nicht automatisch jedes Ereignis, dass eine Leistung erschwert. Erhöhungen der Preise für Rohstoffe oder Strom fallen regelmäßig nicht darunter. Lieferengpässe sollten im Vertrag als besonderer Fall höherer Gewalt genannt sein. Insbesondere empfiehlt sich, einen Selbstbelieferungsvorbehalt aufzunehmen. 

Preiserhöhung – Schadensersatz bei einseitigem Handeln

Unterbleibt die Leistung oder verweigert der Unternehmer die Leistung, weil sie sich wegen der Preissteigerung nicht rentiert oder weil der Käufer einen erhöhten Einkaufspreis nicht akzeptiert, haftet der Unternehmer auf Schadensersatz. Für die Haftung auf Ausgleich des Schadens ist unbedingt das anwendbare Recht und der Gerichtsstand zu prüfen, da regelmäßig keine vertraglichen Schadensersatzansprüche vereinbart sind. Ist deutsches Recht anwendbar, richtet sich der Anspruch auf Ersatz des Sehadens nach BGB. Unter Schaden, für den Ersatz zu leisten ist, fallen alle wirtschaftlichen Einbußen des Abnehmers. Der Schadensersatzanspruch soll alle Verluste des Kunden kompensieren, die ihm aus der Verletzung einer vertraglichen Pflichten oder sonstigen Rechten entstanden ist. Er hat im Wege des Schadensersatzes insbesondere Anspruch auf Ersatz des entgangenen Gewinns. Er kann auch Ersatz der Kosten für einen Deckungskauf sein, etwa wenn der Käufer die Leistung woanders bezieht und dort eben jenen erhöhten Einkaufspreis zahlen muss, den er dem Unternehmer verweigert hat. Sämtlicher Vermögensschaden ist vom Schadensersatzanspruch abgedeckt. Auch insoweit sind jedoch vertragliche Haftungsbegrenzungen zu beachten.

Der zum Schadensersatz verpflichtete Schädiger kann zwar geltend machen, dass auf seine Haftung auf Schadensersatz alles angerechnet werden muss, was der Geschädigte gespart hat oder hätte sparen können. Der Schädiger muss dies jedoch nachweisen. Insbesondere kann es als Beispiel schwierig werden zu argumentieren, dass ein Deckungskauf zu teuer eingekauft wurde. Denn der Schädiger hat ja selbst auf einer Erhöhung der Preise bestanden, für die er nun im Wege des Schadensersatzes Zahlung zu leisten hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass das Preisrisiko nicht durch eine Versicherung abgedeckt werden kann. Eine Preiserhöhung ist kein versicherungsrechtlicher Vermögensschaden. Eine Versicherung muss daher keinen Schadenersatz oder Entschädigung leisten. 

Preiserhöhung – Verhaltenstipps für die Praxis

Ein Unternehmer, der sich einem Preiserhöhungsverlangen ausgesetzt sieht, sollte in der Praxis folgende Dinge beachten:

– Zunächst sollten die Verträge und allgemeinen Verkaufsbedingungen des Lieferanten geprüft werden, ob ein Recht zu nachträglicher Preiserhöhung wirksam vereinbart ist. Für jede Preiserhöhung sollte eine konkrete Begründung in einem ausführlichen Schreiben verlangt werden, gegebenenfalls unter Setzung einer Frist.

– Eine Preiserhöhung sollte generell abgelehnt werden. Wo dies kaufmännisch nicht möglich ist, weil das Unternehmen auf die Lieferung angewiesen ist, sollte sich der Unternehmer alle Rechte, insbesondere seinen Schadensersatzanspruch, vorbehalten.

– Auch die Zahlung sollte unter dem Vorbehalt der Rückforderung veranlasst werden

Sieht sich ein Unternehmen dagegen in der Situation, dass es selbst die Preise erhöhen muss, insbesondere um eigene erhöhte Bezugspreise weiter zu geben, ist Folgendes wichtig:

– Auch in dieser Situation sollte der Unternehmer prüfen, ob bei Vertragsschluss ein Preiserhöhungsrecht vereinbart wurde.

– Die Ankündigung einer Preiserhöhung und deren Begründung in einem ausführlichen Schreiben erleichtern den Einstieg in Verhandlungen mit dem Käufer, der selbst möglicherweise keine Alternative für die Beschaffung hat und daher auf die Belieferung angewiesen ist. 

– Eine nachträgliche Preiserhöhung wird für ein Gericht immer wirksam dann wirksam sein, wenn der Käufer der Preiserhöhung zugestimmt hat. Der Unternehmer sollte daher darauf achten, dass der Kunde der Steigerung seine Einkaufspreise ausdrücklich, am besten schriftlich zustimmt.

– Eine Haftung auf Schadenersatz sollte nicht akzeptiert werden.

Sowohl in Einkaufs- und Verkaufsbedingungen sollten Regelungen über Preissteigerungen bzw. deren Abwehr, zu Fristen, Schadensersatz und die jeweiligen Voraussetzungen geregelt sein.

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Dr. Andrelang, LL. M.

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