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Wettbewerbliche Behinderung durch Abwerben von Kunden

Unternehmen investieren erheblich in die Vergrößerung und Pflege ihres Kundenkreises. Sie steigern dadurch ihren Marktanteil und dadurch ihre Marktstellung gegenüber Mitbewerbern. Sie haben daher ein berechtigtes Interesse daran, ihren Kundenstamm nicht durch unlauteren Wettbewerb oder wettbewerbswidrige Behinderung zu verlieren. Insbesondere das Abwerben von Abnehmern durch sonstige Markteilnehmer, vor allem Mitbewerber, trifft Unternehmen empfindlich. Die Abwerbung von Endkunden erfolgt beispielsweise durch gezieltes Ansprechen und das Abfangen von Kunden, seien es Verbraucher oder Unternehmen, oder durch eine Unterstützung bei Kündigungen von Verträgen. Denkbar ist auch, dass ein Wettbewerber seinen Marktanteil dadurch erhöhen will, indem er verschiedene Produkte und Leistungen koppelt. Hierdurch wird potentiellen Endkunden mittelbar die Möglichkeit genommen, sich einem Mitbewerber erst gar nicht zuzuwenden.

Überblick – UWG und GWB

Das Gesetz zur Verhinderung unlauteren Wettbewerbs, kurz UWG, und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, kurz GWB, enthalten Vorschriften, wie die Abwerbung von Kunden oder allgemein, die auf Kunden bezogene Behinderung von Wettbewerbern, zu bewerten sind. Eine solche Behinderung kann unlauter sein, also wettbewerbswidrig und unzulässig sein. Sie kann auch gegen Kartellrecht verstoßen. In beiden Fällen kann das betroffene Unternehmen eine Abmahnung wegen unlauterer geschäftlicher Handlung oder wegen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung bzw. einer marktstarken Stellung aussprechen und Unterlassung und Schadensersatz verlangen.

Allerdings ist nicht jedes Abwerben von aktuellen oder potentiellen Kundenbeziehungen wettbewerbswidrig. Sie erfahren hier, welche besonderen Umstände und Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit eine unlautere Handlung oder eine wettbewerbswidrige Behinderung vorliegt. Grundsätzlich schützen sowohl das UWG als auch das GWB den Wettbewerb um den Markt und Marktanteile. Und Bestandteil von Wettbewerb ist das Werben um neue Kunden. Das Kundenabwerben ist daher Bestandteil von wettbewerblichem Handeln und damit grundsätzlich zulässig. Somit ist auch nicht jede Behinderung eines Mitbewerbers verboten. Eigenes wettbewerbliches Handeln ist notwendigerweise automatisch eine Behinderung eines Wettbewerbers. Folglich ist der Kundenstamm eines Mitbewerbers an sich kein geschütztes Gut. Der Wettbewerb lebt davon, dass Abnehmer den Anbieter wechseln und sonstige Marktteilnehmer in den Markt eintreten. Auch ein marktbeherrschendes Unternehmen ist daher im Grundsatz berechtigt, einem Mitbewerber Verbraucher wegzunehmen.

Gezielte unlautere Behinderung – Verstoß gegen UWG

Das Gesetz in Form des UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) zieht erst dort eine Grenze, wo eine geschäftliche Handlung gezielt gegen einen Mitbewerber eingesetzt wird. Unter unlauterer Behinderung wird folglich nur eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeit gesehen. Zugleich fordert das UWG, das diese Beeinträchtigung gezielt erfolgt. Erst durch das Merkmal “gezielt” wird aus einer an sich zulässigen Einschränkung ein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht. Gezielte Behinderung bedeutet nach der Rechtsprechung, insbesondere des OLG Düsseldorf sowie des OLG Frankfurt, dass unter Berücksichtigung aller Umstände eine geschäftliche Handlung vor allem nicht auf die Förderung der eigenen wettbewerblichen Entfaltung auf dem nachgelagerten Markt dient, sondern auf die Behinderung eines Mitbewerbers gerichtet ist. Die gezielte Mitbewerberbehinderung ergibt sich folglich aus der Verdrängungsabsicht. 

Die Rechtsprechung hat Fallgruppen für die unlautere auf Endkunden oder Mitbewerber bezogene Behinderung gebildet. Nur wenn eine dieser Fallgruppen vorliegt, werden Gerichte von einer unlauteren geschäftlichen Handlung wegen Abnehmern auf der nachgelagerten Marktstufe, dem Absatzmarkt, ausgehen. Stets geht die Rechtsprechung von dem Grundsatz aus, dass das zielgerichtete und systematische Eindringen in den Kundenkreis eines Mitbewerbers und das Ausspannen von Endkunden Bestandteil von und Grund für Wettbewerb ist. Ein Verstoß gegen das UWG liegt erst dann vor, wenn zusätzliche Umstände und Handlungen des Wettbewerbers hinzutreten. Dann kann der betroffene Mitbewerber Unterlassung und Schadensersatz verlangen.

Eine dieser Fallgruppen ist das Abfangen von potentiellen Endkunden. Vor allem das Einwirken auf Endabnehmern, insbesondere Verbrauchern, mit unlauteren Mitteln führt zu einer unlauteren gezielten Behinderung und einem Verstoß gegen Wettbewerbsrecht. Gemeint sind hier die Druckausübung, sehr knappe Bedenkzeiten, die Täuschung über Umstände, etwa über den Mitbewerber und seine Produkte, die Umleitung von Kundenaufträgen, insbesondere Tippfehler-Domains oder Rufumleitungen oder die Einflussnahme auf Suchmaschinen.

Eine weitere Fallgruppe ist das Abwerben von bestehenden Endkunden. Auch hier muss der Mitbewerber unlauter handeln, bevor man von einem Verstoß gegen Wettbewerbsrecht nach dem UWG ausgehen kann. Hierzu sind wiederum besondere Umstände und unlautere Mittel, damit ein grundsätzlich zulässiges Abwerben über zulässigen Wettbewerb hinaus geht. Das Anlocken von Kunden durch Rabatte oder Vergünstigungen, um sie zum Wechsel zu veranlassen, ist Ausdruck von Wettbewerb und zulässig. Die Grenze zwischen Wettbewerb und gezielter Behinderung von Mitbewerbern ist jedoch dann überschritten, wenn der Endkunde keine informierte Entscheidung treffen kann oder unter Druck gesetzt wird. Auch die Verleitung zum Vertragsbruch, etwa einer sofortigen vertraglichen Kündigung, obwohl kein wichtiger Grund besteht, wird dagegen regelmäßig ein Fall unlauteren Wettbewerbs darstellen, insbesondere wenn auf die Entscheidung des Kunden in unlauterer Weise eingewirkt wird. Auch die Aufforderung zur Kündigung durch das Unternehmen ist erst dann unzulässig, wenn kein Kündigungsrecht besteht oder auf die Entscheidung des Verbrauchers oder Kunden unzulässig eingewirkt wird.

Schließlich kann die Kopplung von Leistungen den Vorwurf unlauteren Wettbewerbs und Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche begründen. Gestaltet ein Unternehmen seine Leistungen so, dass ein Abnehmer ein bestimmtes Produkt nun beziehen kann, wenn er ein anderes Produkt oder eine andere Leistung dazu erwirbt, kann er unter bestimmten Voraussetzungen gegen das Gesetz, insbesondere das UWG, verstoßen. Dies kann insbesondere im Fall der IT-Branche und die Kopplung von Softwareprodukten unlauteren Wettbewerb darstellen. Allerdings ist auch eine solche Kopplung nicht per se ein Verstoß gegen das UWG. Jedes Unternehmen ist im Grundsatz frei, seine Produkte und Leistungen so anzubieten, wie es möchte. In der Regel beurteilen sich daher Kopplungs-Sachverhalte nach Kartellrecht, wenn nicht Nötigung, Irreführung oder Druckausübung die Kopplung begleiten. Die Voraussetzungen des Kartellrechts sind wesentlich strenger und dürfen durch das UWG nicht ausgehebelt werden.

Unbillige Behinderung – Verstoß gegen GWB

Damit eine verbraucher- oder abnehmerbezogene unlautere Behinderung zugleich eine unbillige Behinderung darstellt und gegen Kartellrecht, insbesondere die Vorschriften des GWB, insbesondere §§ 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB in Verbindung mit §§ 18 Abs. 4 GWB oder § 20 Abs. 1 GWB, verstößt, muss ein Missbrauch von Marktmacht nachweisbar sein. Beim Abwerben von Kunden ist dies jedoch nicht immer der Fall. 

Das Verbot einer unbilligen missbräuchlichen Behinderung setzt voraus, dass das Unternehmen, dem die Behinderung vorgeworfen wird, marktbeherrschend oder zumindest marktstark ist. Marktbeherrschung wird im Rahmen des GWB angenommen, wenn ein Unternehmen auf dem relevanten sachlichen und örtlichen Markt einen Anteil von mehr als 40%. Zunächst ist also immer der relevante Markt zu bestimmen. Oft bereitet es jedoch Schwierigkeiten nachzuweisen, dass ein marktbeherrschendes Unternehmen einen Marktanteil von 40% und mehr hat. Aber nicht nur ein marktbeherrschendes Unternehmen darf seine Marktmacht nicht missbräuchlich ausnutzen.

Auch Unternehmen mit überlegener Marktmacht ist es nicht erlaubt, von ihnen abhängige Mitbewerber zu behindern. Bei einer solchen Abhängigkeit kommt also nicht auf die Marktbeherrschung an. Man spricht dann von Marktstärke. Abhängigkeit liegt vor, wenn ein Unternehmen darauf angewiesen, dass ein anderes Unternehmen es beliefert, damit es seine Wettbewerbsfähigkeit erhalten kann. Dies ist immer dann der Fall, wenn das abhängige Unternehmen objektiv keine Belieferungsalternativen hat oder ihm solche nicht zumutbar sind. Ein Fachhändler ist etwa darauf angewiesen, ein bestimmtes Kernsortiment an Marken und Produkten anbieten zu können, um Erwartungen von Verbrauchern zu erfüllen. Man spricht dann von der sortimentsbedingten Abhängigkeit. Entscheidend ist zwar immer die Einzelfall. Indizien für Abhängigkeit und damit von relativer Marktmacht sind die hohe Bekanntheit eine Marke, hohe Werbebudgets des marktstarken Unternehmens und dessen Distributionsrate. Distributionsrate meint den Anteil der Fachhändler, die ein bestimmtes Produkt führen. Je höher die Distributionsrate und die Abdeckung des relevanten Marktes mit dem Produkt ist, desto eher kommt eine überlegene Marktmacht in Betracht (lesen Sie hier nähere Erläuterungen zur Distributionsrate und ein Urteil des OLG Düsseldorf).

Eine unbillige Behinderung kann etwa vorliegen, wenn ein Unternehmen einem Endkunden oder sonstigen Marktteilnehmer eine Software verweigert, die der Verbraucher benötigt, um Hard- oder Software des marktstarken Unternehmens mit Produkten des abhängigen Mitbewerbers zu verbinden. Dies tritt häufig dann ein, wenn das marktstarke Unternehmen durch die Kopplung von Leistungen einem Mitbewerber die Möglichkeit nimmt, überhaupt in Wettbewerb zu treten. Verweigert das starke Unternehmen die Belieferung, kann der Endkunde gezwungen sein, einen Vertrag mit dem abhängigen Unternehmen zu kündigen. Ein solcher Zwang zur Kündigung im Fall einer Kopplung ist eine Wettbewerbsbeschränkung. 

Wichtig ist auch die Information, dass Marktbeherrschung an sich nicht unzulässig ist. Verboten sind nur Wettbewerbsbeschränkungen, die zum Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung führen. Dies kann die Kopplung von Produkten und Leistungen sein, um Wettbewerber gezielt am eigenen Produktvertrieb zu hindern. Obwohl die Kopplung gegenüber dem Endkunden eingesetzt wird, führt sie zu einer Behinderung von Mitbewerbern. Dem steht gleich, dass die Kopplung nachträglich erfolgt und der Endkunde zur Kündigung eines Vertrags veranlasst wird. Ist ein Unternehmen nicht marktbeherrschend, weil sein Marktanteil unter 40% liegt, gilt dies nur, wenn das Unternehmen marktstark ist, weil das nachfragende Unternehmen abhängig ist. 

Um also Ansprüche auf Schadensersatz oder auf Unterlassung geltend zu machen oder eine Abmahnung auszusprechen, muss der Mitbewerber, Opfer der unbilligen Behinderung ist, entweder einen Marktanteil von 40% oder seine Abhängigkeit nachweisen. In einem zweiten Schritt muss die Behinderung durch eine Wettbewerbsbeschränkung und auch die Unbilligkeit dargelegt werden.

Zusammenfassung

Der Kundenkreis ist an sich nicht geschützt. Die direkte Abwerbung von Kunden oder die Kopplung von Produkten und Leistungen, die Kunden veranlassen können, ihre vertragliche Bindung mit einem anderen Unternehmen zu kündigen oder gar nicht erst einzugehen, ist daher grundsätzlich erlaubt.

Allerdings kann die Abwerbung unlautere Behinderung und einen Verstoß gegen das UWG darstellen, wenn auf den Kunden besondere Druck ausgeübt wird oder eine falsche Information über den Mitbewerber oder dessen Produkt behauptet wird. Die Kopplung von Produkten und Leistungen kann in zwei Konstellationen ein Verstoß gegen das GWB sein. In der einen Konstellation liegt der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung vor. Dies setzt voraus, dass das handelnde Unternehmen einen Marktanteil von 40% hat. In der anderen Konstellation ist die Schwelle zum Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung nicht überschritten, aber das handelnde Unternehmen ist marktstark, weil Mitbewerber von ihm abhängig sind. 

Bei Ansprüchen wegen der Abwerbung von Kunden ist stets die Marktstellung, das konkrete Handeln und die Frage zu prüfen, ob die Behinderung unlauter bzw. unbillig ist.

Anwalt Gesellschaftsrecht und Handelsrecht

Dr. Andrelang, LL. M.

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