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Kartellrechtliche Schadensersatzansprüche – Verjährung

Die privatrechtliche Durchsetzung des Kartellrechts durch kartellrechtliche Schadensersatzansprüche von Kartellgeschädigten wird in der Praxis immer bedeutender. Über hundert kartellrechtliche Schadensersatzansprüche über hunderte Millionen Euro sind allein in Deutschland anhängig, insbesondere aus dem Zement-, Schienen-, Zucker- sowie dem Lkw-Kartell. Kartellrechtliche Schadensersatzansprüche und offene Rechtsfragen hierzu erreichen inzwischen auch den Bundesgerichtshof. In seiner Entscheidung vom 12. Juni 2018 (Az: KZR 56/16) hat der Bundesgerichtshof die kontrovers diskutierte Frage der Verjährung eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs zugunsten der Kartellgeschädigten entschieden.

Kartellrechtliche Schadensersatzansprüche und Verjährung – Worum geht es?

Schadensersatzansprüche verjähren nach deutschem Recht im Regelfall innerhalb von drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Geschädigte Kenntnis von seinen Ansprüchen erlangt, spätestens jedoch nach zehn Jahren. Was aber, wenn dem Geschädigten kartellrechtliche Schadensersatzansprüche erst nach zehn Jahren bekannt werden? Dies kann bei kartellrechtlichen Schadensersatzforderungen sehr leicht der Fall sein, weil es oft Jahre dauert, bis Kartellverstöße aufgedeckt werden. Das Zement-Kartell beispielsweise wurde – soweit bekannt – von 1992 bis Anfang 2002 betrieben, das entsprechende Bußgeldverfahren jedoch erst 2016 abgeschlossen. Misslich für die Geschädigten, denn 2016 wäre kartellrechtliche Schadensersatzansprüche schon lange verjährt.

Seit 1. Juli 2005 galt mit § 33 Abs. 5 GWB jedoch eine Vorschrift, wonach die Verjährung von kartellrechtlichen Schadensersatzansprüchen gehemmt, also ihr Ablauf unterbrochen wird, wenn eine Kartellbehörde Maßnahmen zur Untersuchung trifft, insbesondere ein Verfahren wegen eines kartellrechtlichen Verstoßes einleitet. Diese Vorschrift wäre für die Geschädigten des Zementkartelles äußerst günstig, weil das eingeleitete Bußgeldverfahren die Verjährung hemmen würde. Es folgt jedoch ein großes Aber: Das Zementkartell war bereits im Jahr 2002 beendet. Da galt diese Vorschrift, die erst 2005 in Kraft trat, noch gar nicht. Hemmt diese Verjährungsvorschrift auch kartellrechtliche Schadensersatzansprüche, die vor 2005 entstanden sind? Oder anders gewendet: Wie ist die zeitliche Anwendbarkeit von § 33 Abs. 5 GWB zu beurteilen? Haben die Geschädigten des Zementkartells nun Pech gehabt?

Die Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 12. Juni 2018 (Az: KZR 56/16)

Nein, haben sie dank der Entscheidung des Bundesgerichtshof nicht. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung von 12. Juni 2018 klar festgestellt, dass kartellrechtliche Schadensersatzansprüche in ihrer Verjährung durch ein behördliches Verfahren, etwa wegen der Verhängung von Bußgeldern, gehemmt werden und von § 33 Abs. 5 GWB auch kartellrechtliche Schadensersatzansprüche erfasst sind, die vor dem 1. Juli 2005 entstanden sind. Dies gilt natürlich mit der Einschränkung, dass kartellrechtliche Schadensersatzansprüche am 1. Juli 2005 noch nicht verjährt sein dürfen, da bei einem bereits verjährten Anspruch keine Hemmung der Verjährung mehr möglich ist.

Warum musste der Bundesgerichtshof überhaupt bemüht werden? Das Oberlandesgericht Karlsruhe (Urt. v. 9.11.2016 – 6 U 204/15 Kart) hatte die zeitliche Anwendbarkeit der oben beschriebenen Verjährungsregelung auf kartellrechtliche Schadensersatzansprüche beschränkt, die nach dem 1. Juli 2015 entstanden sind. Dies sollte aus dem Wortlaut der Vorschrift folgen, die explizit nur auf die Schadensersatzvorschrift (§ 33 Abs. 3 GWB) verweise, die ebenfalls zum 1. Juli 2005 eingeführt worden sei. Dieser Argumentation folgte der Bundesgerichtshof nicht. Zum einen ist der Wortlaut nicht so eindeutig, weil an anderer Stelle auch auf andere Schadensersatzvorschriften verwiesen wird, die bereits vor dem 1. Juli 2005 galten. Zum anderen zog der Bundesgerichtshof ein rechtspolitisches Argument heran. Die privatrechtliche Durchsetzung des Kartellrechts sollte durch die neuen Vorschriften von 2005 gerade gefördert werden, so dass diese großzügig auszulegen sind.

Was bedeutet das für Ihre kartellrechtlichen Schadensersatzforderungen?

Eine Änderung der Verjährungsvorschriften erfasst alle derzeit aus der Vergangenheit anhängigen kartellrechtlichen Schadensersatzansprüche unabhängig davon, wann sie entstanden sind und welche Verjährung vorher galt, so lange sie am 1. Juli 2005 noch nicht verjährt waren. Das war nach dem Bundesgerichtshof schon immer so. Hiervon wollte der Gesetzgeber mit Einführung von § 33 Abs. 5 GWB auch nicht abweichen. Schließlich gilt der Grundsatz der effektiven Durchsetzung des Kartellrechts. Alle anderen Gerichte, die über kartellrechtliche Schadensersatzansprüche zu entscheiden haben, sind an diese Entscheidung des Bundesgerichtshof gebunden. Viele kartellrechtliche Schadensersatzansprüche können daher immer noch geltend gemacht bzw. weiterverfolgt werden – auch wegen anderer Kartelle, zu denen die Kartellbehörden gegenwärtig noch ermitteln.

Was ist jetzt für Sie wichtig?

Entscheidend für die Frage der Verjährungshemmung ist Einleitung des Kartellverfahrens durch das Bundeskartellamt. Dies kann insbesondere die Durchsuchung bei einem der Kartellanten sein. Die Hemmung der Verjährung endet bzw. die Verjährung beginnt weiterzulaufen, sobald sechs Monate nach Erlass des Bußgeldbescheids oder nach einer anderen Verfahrensbeendigung. Vor dem Ablauf dieser 6-Monats-Frist müssen Sie daher weitere verjährungshemmende Maßnahmen einleiten, etwa einen Mahnbescheid beantragen, um sich ihre kartellrechtlichen Schadensersatzansprüche aufrecht zu erhalten. Hat dagegen die Europäische Kommission das Kartellverfahren eingeleitet, ist der Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung anders zu bestimmen. Dies kann etwa der Zeitpunkt der Anordnung einer Nachprüfung sein. Für die Frage, wann die kenntnisunabhängige 10-Jahres-Frist abgelaufen ist, kommt es auf das Entstehen der kartellrechtlichen Schadensersatzansprüche an. Wann dies der Fall ist, ist umstritten und muss daher für Ihren konkreten Fall geprüft werden.

Neuregelung der Verjährung kartellrechtlicher Ansprüche

Ende 2018 trat eine neue Verjährungsregelung (§ 33h GWB) für kartellrechtliche Schadensersatzansprüche in Kraft. Danach beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Sie beginnt frühestens mit Ende des Jahres, in dem der Kartellverstoß beendet wurde. Diese neue Verjährungsregelung klärt viele Fragen der Verjährung. Auch bei dieser Vorschrift kann sich jedoch in Zukunft die Frage nach ihrem zeitlichen Anwendungsbereich stellen.

Anwalt Gesellschaftsrecht und Handelsrecht

Dr. Andrelang, LL. M.

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