Die lang angekündigte neue europarechtliche Verordnung über den Vertrieb von Waren, die so genannte Vertikal-GVO 720/22 bzw. Gruppenfreistellungsverordnung zur Befreiung von vertikalen Vereinbarungen vom Kartellverbot, ist am 1. Juni 2022 in Kraft getreten. Sie wird künftig unter dem Kürzel Vertikal-GVO 720/22 zitiert und wird die Vertragsgestaltung im E-Commerce, jedem Vertriebssystem und stationärem Handel nachhaltig beeinflussen. Hersteller, Importeure und Lieferanten, und Abnehmer, also insbesondere der Handel und dessen Kunden, müssen sich vor allem auf Änderungen im Onlinehandel, im jeweiligen Vertriebssystem und beim Informationsaustausch einstellen.
Die alte Vertikal-GVO 330/2010 trat am 31. Mai 2022 außer Kraft. Die Europäische Kommission hatte daher Gelegenheit, die bisher geltenden Regelungen für den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen durch Handelsvertreter, Händler oder anbietereigene Vertriebsunternehmen neu zu regeln. Hierbei setzte die Europäische Kommission einen Schwerpunkt auf den Onlinehandel als fest etablierte Vertriebsform und Rechtsprechung zum Produktvertrieb. Die Vertikal-GVO 720/22 gilt selbstverständlich auch für den Vertrieb von Dienstleistungen. Der Entwurf der Europäischen Kommission für die neuen Regelungen bleibt im Wesentlichen unverändert; es gab lediglich Anpassungen beim Informationsaustausch und beim Exklusivvertrieb.
Vertikal-GVO 720/22: Die wichtigsten Änderungen im Überblick
Die Vertikal-GVO 720/22 und die Leitlinien lassen viele Regelungen zum Offline-Handel im Wesentlichen unverändert. Diese Regelungen haben sich kartellrechtlich aus Sicht der Europäischen Kommission bewährt. Änderungen beim stationären Geschäft betreffen den zweigleisigen Vertrieb, den Informationsaustausch zwischen Verkäufer und Vertragshändler, den Exklusivvertrieb und den Schutz gegen Graumarktimporte.
Weiterhin freigestellt bleibt auch ein selektives Vertriebssystem. Der Hersteller hat weiterhin das Recht, qualitative Kriterien für den festzulegen, nach denen er den jeweils autorisierten Vertragshändler bestimmt. Ein selektives Vertriebssystem wird für den Markenhersteller daher eine bevorzugte Vertriebsform bleiben. Er kann weiterhin den Handel über das Internet, den E-Commerce seiner Vertragshändler und allgemein den digitalen Vertrieb durch Auswahlkriterien steuern und das Vertriebsrecht seiner Abnehmer und die Zusammenarbeit qualitativ in seinem Sinne regeln.
Die Änderungen beim Online-Handel, E-Commerce und dem digitalen Verkauf sind gravierender. Die Vertikal-GVO und ihre Leitlinien greifen insbesondere die neue Rechtsprechung des EuGH (Europäischer Gerichtshof) zur Beschränkung des Verkaufs auf digitalen Drittplattformen auf.
Geringfügige Änderungen bei Preisvorgaben
Keine Änderungen betreffen die Unzulässigkeit von Preisvorgaben gegenüber der “zweiten Hand”, also gegenüber den Vertragshändlern. Preisvorgaben in Form von Mindest- oder Festpreisen bleiben auch unter der neuen Vertikal-GVO 720/22 und ihren Leitlinien verboten. Dies gilt sowohl für die direkte Festsetzung von Preisen als auch für mittelbar wirkende Maßnahmen. Mittelbare Maßnahmen sollen den Handel etwa veranlassen, ein bestimmtes Preisniveau einzuhalten. Solche Maßnahmen zeigen sich in Form von Rabatten und sonstigen Vorteilen oder in Form von Nachteilen wie Lieferverweigerung, Lieferverzögerungen oder Preisüberwachungen. All dies bleibt unzulässig. Dies gilt unabhängig vom angewendeten Vertriebssystem. Will der Hersteller Preisvorgaben gegenüber Kunden machen, muss er mit Handelsvertretern operieren. Dies bietet sich insbesondere für das hochpreisige Segment seines Produktportfolios an.
Die Kommission konnte sich trotz guter Argumente auch nicht durchringen, Vorgaben für den minimum advertised price, den sogenannten street price, zuzulassen. Vorgaben für eine Mindestpreisauszeichnung und allgemein für street prices bleiben wie in der Vergangenheit unzulässig. Hier weicht die Kommission mit ihrer neuen Gruppenfreistellungsverordnung und ihren Leitlinien von der Rechtslage in Großbritannien und den USA ab. Dort sind street price-Vorgaben kartellrechtlich freigestellt. Im internationalen Vertriebsrecht müssen sich Hersteller und Abnehmer also auf unterschiedliche rechtliche Regelungen einstellen.
Eine Neuerung zu Preisvorgaben wurde jedoch eingeführt: Oft verhandelt ein Anbieter mit einem Endkunden, etwa einer Handelskette, die Konditionen für den Kauf von Produkten. Das Unternehmen ist nun unter der neuen Vertikal-GVO 720/22 berechtigt, einen Händler einzusetzen, der den Endabnehmer zu diesen vereinbarten Konditionen beliefert. In diesem Fall darf der Lieferant dem Händler auch die Preise – als Teil der ausgehandelten Konditionen – vorgeben. Voraussetzung ist allerdings, dass der Endkunde darauf verzichtet, sich seinen Händler, von dem er die Produkte beziehen möchte, selbst auszuwählen. Der Endkunde ist an den vom Anbieter bestimmten Händler als Bezugsquelle gebunden.
Keine Lockerung des Verbots, den Online-Handel zu beschränken
Obwohl sich der Online-Handel inzwischen etabliert hat und daher an sich nicht mehr schutzbedürftig ist, bleibt auch die Vertikal-GVO 720/22 hart, was die Beschränkung des Online-Handels angeht. Jede Beschränkung des effektiven Gebrauchs des Internet als Verkaufskanal ist nun eine Hardcore-Beschränkung und bleibt verboten. Dies gilt nach wie vor insbesondere vom Totalausschluss des E-Commerce, unabhängig davon, ob der Lieferant ein selektives Vertriebssystem betreibt oder eine andere Vertriebsform wählt.
Ausnahmen bestehen nur in solchen Konstellationen, in denen nicht die Nutzung des Internets an sich verboten wird, etwa bei Vorgaben zum Online-Handel qualitativer Art, wenn diese Vorgaben das erforderliche Maß nicht überschreiten. Die Vertikal-GVO 720/22 lässt es nun ausdrücklich zu, dass es dem Vertragshändler verboten wird, die Produkte auf Drittplattformen zu vertreiben und setzt damit die Rechtsprechung des EuGH um. Ein selektives Vertriebssystem etwa darf den Warenabsatz über eBay oder Amazon verbieten.
Neu ist insoweit auch, dass die Qualitätsvorgaben an den Online-Handel, insbesondere im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems, nicht mehr zu denen des Offline-Handels äquivalent sein müssen. Was in der Praxis bis dato ohnehin nicht rechtssicher umsetzbar war, wird nun gelockert, so dass Hersteller den Abnehmern für den Offline-Handel und den Online-Handel unterschiedliche Qualitätsvorgaben machen können. Die Qualitätsvorgaben an den Online-Handel des Abnehmers dürfen jedoch nicht so streng sein, dass der Händler quasi dazu gezwungen wird, vom Online-Verkauf Abstand zu nehmen, etwa weil die Umsetzung dieser Vorgaben zu teuer wäre.
Jeder Markenhersteller hat auch weiterhin das Recht, reine Onlinehändler vom Bezug und Vertriebsrecht seiner Produkte und Dienstleistungen auszuschließen. Der Hersteller darf verlangen, dass ein stationäres Geschäft betrieben wird. Reine Onlinehändler haben daher auch unter der neuen Vertikal-GVO 720/22 und den Vertikal-Leitlinien möglicherweise Schwierigkeiten mit Markenprodukten beliefert zu werden.
Dual pricing ist gestattet
Zudem ist das so genannte dual pricing nun unter bestimmten Voraussetzungen gestattet. Dual pricing bedeutet, dass das verkaufende Unternehmen von seinem Abnehmer für Produkte, die für den Verkauf im stationären Handel bestimmt sind, einen anderen, oftmals niedrigeren, Preis verlangen darf als für für den Online-Handel bestimmte Produkte. Voraussetzung ist allerdings, dass hiermit nicht eine Beschränkung des Online-Handels bewirkt wird. Zudem ist erforderlich, dass das verkaufende Unternehmen durch das dual pricing Investitionen des Händlers in den begünstigten Vertriebskanal, etwa in die Ausstattung des Ladengeschäfts, unterstützen möchte.
Vertikal-GVO 720/22: Neuerungen beim ausschließlichen Vertrieb
Beim ausschließlichen Vertrieb bzw. exklusiven Vertrieb – beide Begriffe meinen das Gleiche – gibt es Neuerungen hinsichtlich der Anzahl der pro Gebiet eingesetzten Händler und bei der Weitergabe von Beschränkungen des aktiven Vertriebs. Aktiver Vertrieb meint alle Verkaufsmaßnahmen, bei denen Kunden aktiv angegangen werden, etwa durch zielgerichtete Werbung, promotions, Briefe, E-Mails oder Anrufe, unabhängig davon, ob diese Maßnahmen in Druckform oder digital oder durch Social Media durchgeführt werden. Die Vertikal-Leitlinien enthalten hierzu nun ausführlichere Erläuterungen.
Ausschließlicher Vertrieb bedeutete unter der alten Vertikal-GVO, dass einem Händler ein bestimmtes Vertragsgebiet oder eine bestimmte Kundengruppe ausschließlich zugewiesen wurde. Anderen Händlern war es dann untersagt, aktiv durch eigene Vertriebsbemühungen in diesen Gebieten tätig zu werden oder auf diese Kundengruppen zuzugehen. Dies ist nun gelockert. Dem Unternehmen ist es nun erlaubt, in ein und demselben Vertriebsgebiet bis zu fünf Händler exklusiv einzusetzen, die sich untereinander Konkurrenz machen. Für gebietsfremde Händler bleibt der aktive Vertrieb in diesem Gebiet jedoch weiterhin untersagt.
Unverändert ist auch der Grundsatz, dass so genannte passive Verkäufe in ein exklusiv zugewiesenes Gebiet oder an eine ausschließlich zugewiesene Kundengruppe zulässig bleiben. Passiv bedeutet, dass die Kunden aktiv auf den gebietsfremden Händler zugehen. Eine Website oder ein Webshop gelten dabei weiterhin als passive Vertriebsformen. Beliefert also ein gebietsfremder Abnehmer Kunden in einem exklusiven Gebiet eines anderen Händler aufgrund von Online-Bestellungen, kann diese weder von dem gebietsfremden Händler noch vom Anbieter Unterlassung verlangen.
Die alte Vertikal-GVO gestattete es dem Hersteller, dem Abnehmer Formen des aktiven Vertriebs zu verbieten. Dieses Recht, solche aktiven Vertriebsmaßnahmen zu verbieten, besteht unter der neuen Vertikal-GVO 720/22 fort und wird erweitert: Der Anbieter kann von seinen Händlern verlangen, dass diese mit ihren Kunden ebenfalls identische Beschränkungen des aktiven Vertriebs vereinbaren. Hierdurch wird folglich das Vertriebsrecht dieser Kunden beschränkt. Die vertikale Vereinbarung schlägt auf die nächste Handelsstufe durch. Der Markenhersteller hat somit die Möglichkeit, eine kartellrechtlich zulässige Beschränkung von Graumarktimporten noch effizienter umzusetzen.
Vertikal-GVO 720/22: Parallele Vertriebsformen
Die neue Vertikal-GVO 720/22 lässt nun ausdrücklich parallele Vertriebsformen innerhalb der EU zu. Ein Markenhersteller kann also für ein Teilgebiet der Europäischen Union ein selektives Vertriebssystem aufsetzen, während er andere Gebiete unter einem exklusiven Vertriebssystem zusammenfasst. Diese unterschiedlichen parallelen Vertriebsformen dürfen auch voreinander geschützt werden, etwa um Graumarktimporte zu verhindern. Es ist nun also zulässig, Gebiete mit exklusivem Vertrieb gegen aktive Verkäufe von Händlern zu schützen, die im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems in einem anderen Gebiet autorisiert sind oder die gar keiner Vertriebsform unterliegen. Wohlgemerkt gilt dies jedoch nur für den aktiven Vertrieb. Der passive Verkauf, also insbesondere die Schaltung von Websites und die Bedienung von Online-Bestellungen, dürfen nicht verboten werden.
Ein selektives Vertriebssystem darf dagegen gegen aktive und passive Verkäufe eines autorisierten Vertragshändlers geschützt werden, der in einem Gebiet mit exklusivem Vertrieb ansässig ist oder für den keine bestimmte Vertriebsform (selektiver Vertrieb bzw. exklusiver Form) gilt. Die Verbindung von exklusivem und selektivem Vertrieb in ein und demselben Vertriebsgebiet bleibt jedoch weiterhin untersagt.
Änderungen bei Wettbewerbsverboten
Auch Wettbewerbsverbote bleiben zulässig. Sie dürfen jedoch nicht länger als fünf Jahre gelten, wobei stillschweigende Verlängerungen eingerechnet werden. Stillschweigende Verlängerungen sind jedoch dann zulässig, wenn dem Händler das Recht eingeräumt wird, den Vertrag und die Konditionen neu zu verhandeln oder den Händlervertrag nach der stillschweigenden Verlängerung mit einer angemessenen Frist zu kündigen. Eine stillschweigende Verlängerung mit ordentlichem Kündigungsrecht ist unter der Vertikal-GVO 720/22 folglich erlaubt. Eine stillschweigende Verlängerung etwa um weitere fünf Jahre ohne Kündigungsrecht bleibt dagegen unzulässig. Zudem darf eine ordentliche Kündigung nicht mit unverhältnismäßigen Kosten für den Abnehmer verbunden sein. Solche Kosten hätte der Händler etwa zu tragen, wenn er sein Restsortiment unter erheblichen Abschlägen an den Anbieter zurückverkaufen müsste.
Änderungen beim dualen Vertrieb
Beim dualen oder zweigleisigen Vertrieb vertreibt der Hersteller seine Produkte durch selbständige Händler und durch eigene Vertriebsbemühungen. Der Markenhersteller tritt so in Wettbewerb zu seinen Händlern. Dieser Wettbewerb, etwa bei einem selektiven Vertriebssystem ist von der Kommission zwar gewünscht. Andererseits kann dies zu einem kartellrechtlich kritischen Austausch von Informationen führen. Die EU-Kommission hat den dualen Vertrieb in der Europäischen Union folglich im Grundsatz international vom Kartellverbot freigestellt. Die Vertikal-GVO 720/22 gestattet den dualen Vertrieb jedoch nur, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
– Der Abnehmer ist selbst nicht zugleich Anbieter von solchen Produkten, die mit denen des Anbieters konkurrieren. Mehrere Hersteller oder Importeure können sich also nicht gegenseitig als Händler ihrer jeweiligen Produkte einsetzen.
– Der gemeinsame Marktanteil auf dem betroffenen Produktmarkt muss unter 30% liegen. Dies ist strenger als die allgemeine Voraussetzung, dass der jeweilige individuelle Marktanteil von Hersteller und Abnehmer auf dem jeweils betroffenen regionalen Produktmarkt nicht mehr als 30% sein darf.
– Der Informationsaustausch darf nur solche Daten umfassen, die für die Durchführung des Händlervertrags und die effiziente Vermarktung der Produkte unbedingt erforderlich sind.
“Erforderliche Informationen” meint technische Daten, Informationen im Zusammenhang der Belieferung, anonymisierte und aggregierte Informationen zu Kundenkäufen und Kundenpräferenzen, Verkaufspreise des Händlers und Berichte zu Marketingmaßnahmen oder die Nutzung von Online-Werbekanälen. Unzulässig dürften in diesem Zusammenhang Informationen über die Produkte und Vertriebsmaßnahmen anderer Verkäufer sein, deren Marken der Händler ebenfalls vertreibt, oder über die zukünftige Preisgestaltung des Vertragshändlers oder die Vermarktung seiner Eigenmarken. Hier dürften sich in der Praxis in Zukunft mit am meisten rechtliche Unklarheiten ergeben.
Beim Informationsaustausch ist zu beachten, dass das Vertriebskartellrecht die Vorschriften des Handelsrechts, insbesondere zum Ausgleichsanspruch, nicht beschränkt. Ist der Vertragshändler verpflichtet, Daten von Kunden insbesondere digital an den Unternehmer weiterzugeben, kann ein Ausgleichsanspruch bestehen. Bei Adressdaten wird es sich nicht um eine kartellrechtlich relevante Information handeln. Die sonstigen Anforderungen des Datenschutz- und Handelsrechts bleiben jedoch unberührt.
Zur Vertriebsfunktion von Handelsvertretern
Handelsvertreter bleiben gemäß den Regelungen der Vertikal-GVO 720/22 im Grundsatz kartellrechtlich zulässig. Erforderlich ist allerdings nach wie vor, dass der Handelsvertreter keine wirtschaftlichen Risiken wie ein Händler zu tragen hat, insbesondere kein Absatzrisiko. Die Vertikal-GVO 720/22 schafft nun auch einen Rahmen, der den parallelen Einsatz eines Händlers als eigenverantwortlicher Händler und als Handelsvertreter zulässt. Voraussetzung ist, dass sich die Tätigkeit als Händler klar von der als Handelsvertreter trennen lässt. Diese neuen Regelungen betreffen insbesondere Konstellationen, in denen der Händler ein Teil-Sortiment als Händler vertreibt und daher in der Preisgestaltung frei bleiben muss und ein Teil-Sortiment, in der Regel die hochpreisigen Produkte, als Handelsvertreter vertreibt. In letztem Fall kann der Unternehmer nämlich den Verkaufspreis bestimmen, weil der Kunde nicht beim Vertragshändler kauft, sondern direkt beim Unternehmer. Der Händler wird in diesem Fall nur vermittelnd tätig. Bei der Produktpräsentation und dem Marketing allgemein muss dies auch nicht offengelegt werden. Diese Zweigleisigkeit bleibt zulässig, ist nun aber an strengere Regelungen geknüpft, für die das Unternehmen die Beweislast trägt: Dem Abnehmer muss unter der Vertikal-GVO 720/22 freistehen, ob er als Handelsvertreter tätig sein will oder nicht. Zudem muss der Unternehmer alle Risiken des Handelsvertreters tragen bzw. den Handelsvertreter bei seinen Investitionen entsprechend entschädigen.
Vertikal-GVO 720/22: Zusammenfassung
Die neue Vertikal-GVO lässt die wesentlichen Grundsätze des Vertriebskartellrechts im Wesentlichen unberührt, möchte jedoch eine Modernisierung von Ausnahmen vom Kartellverbot erreichen. Sie lässt insbesondere neue Optionen für die Vertriebsstruktur zu, etwa parallele unterschiedliche Vertriebsformen und den jeweiligen Schutz gegeneinander, den dualen Vertrieb, das dual pricing und die Gestattung von mehreren Abnehmern in einem Vertriebsgebiet. Die Unternehmen sollten nun genau prüfen, welche Spielräume ihnen die Vertikal-GVO 720/22 beim Vertrieb eröffnet und welche Türen sie möglicherweise verschließt. Insbesondere aufgrund des Schutzes gegen Graumarktimporte dürfte der selektive Vertrieb weiterhin sehr attraktiv sein.
Wichtig zu wissen: Für einen bestehenden Vertriebsvertrag gilt eine Übergangszeit von einem Jahr. Bis zum 31. Mai 2023 müssen bestehende Verträge an wesentliche Änderungen der neuer Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung 720/22 und die neuen Vertikal-Leitlinien angepasst sein. Neue Verträge müssen allerdings sofort unter Berücksichtigung der Vertikal-GVO 720/22 abgeschlossen werden. In die vertriebsrechtliche Beratung sind auch das übrige Kartellrecht, Handelsrecht, der Ausgleichsanspruch des zugelassenen Händlers und des Handelsvertreters und Aspekte des Gesellschaftsrecht einzubeziehen.
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