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Geoblocking – Die Guess-Entscheidung der EU-Kommission

Die europäische Kommission macht ernst beim Geoblocking – und nationale Kartellbehörden wie das Bundeskartellamt dürften es ihr gleichtun. Kaum ist die Geoblocking – Verordnung am 3. Dezember 2018 in Kraft getreten, verhängt die Europäische Kommission in ihrer Entscheidung vom 17. Dezember 2018 ein Bußgeld gegen das Bekleidungs-Label Guess in Höhe von fast EUR 40 Millionen wegen kartellrechtswidriger Vereinbarungen zur Verhinderung des grenzüberschreitenden online-Handels in der EU.

Autor:
Dr. Christian Andrelang, LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Geoblocking – Worum geht es in der Guess-Entscheidung

Guess praktiziert im Europäischen Wirtschaftsraum ein selektives Vertriebssystem, in dem Vertragshändler auf der Grundlage von Qualitätskriterien ausgewählt und zugelassen werden. Selektive Vertriebssysteme, die die Anzahl der Händler beschränken bzw. Auswahlkriterien festlegen, sind – lesen Sie hier Näheres zu selektiven Vertriebssystemen – kartellrechtlich zulässig. Erforderlich ist jedoch, dass die Endkunden bei jedem zugelassenen Händler im Vertragsgebiet einkaufen dürfen. Demgemäß muss jeder Händler das Recht haben, im gesamten Vertriebsgebiet Endkunden aktiv und passiv, insbesondere mittels websites, anzusprechen und zu beliefern.

Die Vertriebsverträge von Guess enthielten jedoch Klauseln, die dem Handel verboten, in anderen EU-Mitgliedsstaaten Marketing zu betreiben und Kunden zu beliefern. Kunden sollten nur in ihrem Herkunftsland einkaufen dürfen. Die Untersuchung der Kommission hat konkret ergeben, dass die Vertriebsverträge von Guess die autorisierten Einzelhändler an folgenden geschäftlichen Maßnahmen hinderten:

  • Verwendung der Markennamen und Warenzeichen von Guess für die Zwecke der Werbung auf Online-Suchmaschinen;
  • Online-Verkauf ohne vorherige ausdrückliche Zustimmung durch Guess. Guess behielt sich einen uneingeschränkten Ermessensspielraum für diese Genehmigung vor, ohne dass die Erfüllung bestimmter Qualitätskriterien für die Zustimmung entschei-dend gewesen wäre;
  • Verkauf an Verbraucher außerhalb der zugewiesenen Händlergebiete;
  • Querverkauf zwischen zugelassenen Großhändlern und Einzelhändlern;
  • unabhängige Festsetzung der Einzelhandelspreise für Guess-Produkte.

Diese Vertragsklauseln ermöglichten es Guess, die Märkte innerhalb der EU voneinander abzuschotten. Die Kommission stellte insbesondere fest, dass die Einzelhandelspreise für Guess-Produkte in Mittel- und Osteuropa (Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Ungarn und Tschechien) im Durchschnitt um 5-10 % über dem westeuropäischen Niveau liegen. Zweck dieser Klauseln war nach Auffassung der Kom-mission daher die Aufrechterhaltung von künstlich überhöhten Preisen in einigen EU-Mitgliedsstaaten.

Geoblocking – Immer ein Verstoß gegen Kartellrecht?

In ihrem Guess-Beschluss nimmt die Europäische Kommission auch ausdrücklich Bezug auf die Geoblocking – Verordnung 2018/302. Die Geoblocking – Verordnung bestimmt, dass ein Händler den Zugriff eines Kunden auf die Online-Angebot des Händlers nicht aus Gründen blockieren oder begrenzen darf, die mit der Staatsangehörigkeit, dem Wohnort oder dem Ort der Niederlassung des Kunden zusammenhängen. Es gilt das Prinzip des „Buy like a local“: Anbieter dürfen den grenzüberschreitenden Zugang von Endkunden auf Online-Angebote von Waren und Dienstleistungen in einem Webshop, einer App oder einer anderen elektronischen Anwendung nicht sperren, beschränken oder sonst verhindern. Die Europäische Kommission will so Preistransparenz innerhalb der EU schaffen und den online-Handel weiter stärken.

Die Europäische Kommission stellt in ihrem Guess-Beschluss ausdrücklich klar, dass diese EU-Verordnung Geoblocking und andere Beschränkungen auf geografischer Grundlage, die den Online-Einkauf und den Verkauf über Grenzen hinweg beeinträchtigen und damit die Mög-lichkeiten von Verbrauchern und Unternehmen, von den Vorteilen des Online-Handels zu profitieren, einschränken, auch dann verbietet, wenn sich Händler hierzu in ihren Vertriebsverträgen verpflichten müssen. Dies ist bereits kartellrechtlich verboten, was Guess mit dem Bußgeld auf etwas unsanfte Art zu spüren bekam.

Was genau ist nun der Unterschied zwischen dem allgemeinen kartellrechtlichen Verbot, den Online-Handel wie Guess es getan hat zu verbieten, und der Geoblocking – Verordnung? Das Kartellrecht erklärt Vertragsbestimmungen wie in den Guess-Vertriebsverträgen mit ihren Händlern, die den Online-Handel beschränken, für unwirksam. Die Geoblocking – Verordnung dagegen sanktioniert einseitige Zugriffsverhinderungen oder -erschwerungen gegenüber Endkunden durch Hersteller, Importeure oder Händler. Die Regelungen des Kartellrecht und der Geoblocking – Verordnung überschneiden sich nach dem Guess-Beschluss der Europäischen Kommission jedoch auch: Auch nach der Geoblocking – Verordnung darf ein Hersteller oder Importeur einem Einzelhändler nicht vertraglich untersagen, potentiellen Endkunden in der EU unter den in der Geoblocking – Verordnung aufgeführten Voraussetzungen technisch zu ermöglichen, jeden Online-Shop aufzurufen und dessen Angebot anzusehen und zu bestellen. Die Verhaltensweisen von Guess, mit denen der passive Verkauf an Endkunden eingeschränkt wurde, sind auch durch die Geoblocking – Verordnung verboten.

Geoblocking – Was bedeutet die Guess-Entscheidung?

Das die Europäische Kommission Bußgelder verhängen darf und dies auch tut, hat man am Beispiel Guess gesehen. In Deutschland dürfen das Bundeskartellamt bei Verstößen gegen allgemeines Kartellrecht Bußgelder in Höhe von bis zu 10% des Konzernumsatzes verhängen. Bei Verstößen gegen die Geoblocking – Verordnung ist zudem die Bundesnetzagentur berechtigt, ein weiteres Bußgeld gegen das Unternehmen aber auch gegen Händler selbst zu verhängen, wenn neben kartellrechtlichen Verstößen die folgenden Maßnahmen eines Unterneh-mens festgestellt werden:

  • Sperrung oder Beschränkung eines Zugangs zur Online-Benutzeroberfläche
  • Weiterleitung eines Kunden zu einer Online-Benutzeroberfläche entgegen der Ge-oblocking – Verordnung
  • Verwendung unterschiedlicher allgemeine Geschäftsbedingungen oder
  • Anwendung unterschiedliche Bedingungen für einen Zahlungsvorgang.

Händler, gegen die die Bundesnetzagentur vorgeht, werden sich kaum erfolgreich damit entschuldigen können, dass sie aufgrund der Klauseln im Vertriebsvertrag mit dem Hersteller oder Importeur verpflichtet waren, solche Maßnahmen zu ergreifen. Denn: Soweit solche Klauseln gegen kartellrechtliche Vorschriften verstoßen, sind sie unwirksam. Zudem stellt ein Verstoß gegen Kartellrecht oder gegen die Geoblocking-Verordnung unlauteres Handeln dar. Daher sind Verbraucherschutzverbände und Wettbewerber berechtigt, kostenpflichtige Ab-mahnungen auszusprechen, und zwar sowohl gegen die Hersteller und Importeure als auch gegen die Händler.

Geoblocking – Was ist jetzt für Sie wichtig?

Zwar wurde Guess nicht wegen eines Verstoßes gegen die Geoblocking-Verordnung bestraft. Der Fall ist jedoch ein gutes Beispiel für Geoblocking und die Konsequenzen, die sich auch auf andere Branchen übertragen lassen. Ich rechne damit, dass in Zukunft Wettbewerber ver-stärkt Abmahnungen aussprechen und auch die Kartellbehörden oder die Bundesnetzagentur verstärkt auf die Einhaltung der Regeln der Geoblocking – Verordnung achten. Es ist daher empfohlen, Verträge auf offensichtliche oder verdeckte Verstöße gegen Kartellrecht oder die Geoblocking – Verordnung zu prüfen und davon Abstand zu nehmen, solche Klauseln anzuwenden.

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