Ab dem Zeitpunkt, ab dem ein Unternehmen überschuldet oder zahlungsunfähig, darf der Geschäftsführer keine Zahlungen mehr für das Unternehmen tätigen, weil dies die Insolvenzmasse schmälern würde. Verstößt er hiergegen, haftet er persönlich mit seinem Privatvermögen. Jeder Insolvenzverwalter ist verpflichtet, solche Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Aufgrund der Covid19-Krise hat der Gesetzgeber reagiert und das Haftungsrisiko reduziert. Gleichwohl bestehen weiter Risiken.
Covid19-Krise – Wann ist ein Unternehmen insolvent?
Ein Unternehmen ist insolvent, wenn es überschuldet oder zahlungsunfähig ist (Lesen Sie hier mehr zur Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit) Überschuldet ist ein Unternehmen, wenn der Wert seines Vermögen nicht ausreicht, um alle Verbindlichkeiten zu decken und keine positive Fortführungsprognose besteht. Ein Unternehmen ist zahlungsunfähig, wenn es nicht nur vorübergehend mehr als 10% seiner fälligen Verbindlichkeiten und Zahlungspflichten nicht bedienen kann. Vorübergehend meint weniger als drei Wochen. Die Insolvenzordnung verpflichtet jeden Geschäftsführer, unverzüglich, längstens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Eintritt der Insolvenz einen Insolvenzantrag zu stellen.
Einzelkaufleute sind selbst Träger des Unternehmens, so dass sie als Privatpersonen mit ihrem Vermögen in die Insolvenz fallen können. Für sie gelten jedoch modifizierte Regeln.
Was sind Zahlungen bei Insolvenzreife?
Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Dies gilt nicht von Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sind. Zahlungen bei Insolvenzreife sind somit alle Zahlungen, die im Stadium der Insolvenz des Unternehmens geleistet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob der Geschäftsführer die Insolvenz kannte oder nicht. Der Begriff der Zahlung ist dabei weit auszulegen. Erfasst werden etwa auch Einziehung einer Vorauszahlung auf ein debitorisches Konto. Dies hat der Bundesgerichtshof in einem aktuellen Urteil vom 11. Februar 2020 (BGH, Urt. v. 11. Februar 2020 – Az: II ZR 427/18) erneut bestätigt.
Wie haftet der Geschäftsleiter?
Leistet ein Geschäftsführer bei Insolvenzreife Zahlungen, haftet er hierfür mit seinem Privatvermögen (Lesen Sie hier mehr zur Haftung eines Geschäftsführers bei Pflichtverletzungen). Dies ist insbesondere dann äußerst misslich, wenn dem Geschäftsleiter die Insolvenzreife, also die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung nicht bekannt waren. Hiermit kann sich der Geschäftsleiter jedoch nicht rechtfertigen. Er kann sich zwar auf einen Rechtsirrtum berufen, weil er sich über die Insolvenzreife geirrt hat. Ein solcher Rechtsirrtum kann ihn jedoch nur entlasten, wenn der Rechtsirrtum vermeidbar war. Eine solche Vermeidbarkeit wird man bei der Insolvenzreife stets annehmen müssen, weil ein Geschäftsführer objektiv wissen muss, ob sein Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist.
Der Geschäftsleiter muss alle Beträge persönlich an das Unternehmen bzw. den Insolvenzverwalter zurückerstatten, die er aus dem Vermögen des Unternehmens veranlasst hat und die der Insolvenzverwalter nicht vom Empfänger zurückholen kann, etwa durch Insolvenzanfechtung.
Allerdings muss der Geschäftsführer nicht alle Beträge erstatten. Zahlungen, die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers entsprechen sind ausgenommen. Dies sind Zahlungen, die ein Geschäftsleiter im Interesse der Erhaltung von Sanierungschancen, also zur Sicherung des Unternehmens, oder zur Abwendung von Schaden tätigt. Der Geschäftsführer muss allerdings darlegen und beweisen, dass seine Zahlung diese Voraussetzungen erfüllt. Er muss hierzu darlegen, inwieweit er für die finanzielle Situation des Unternehmens Sorge getragen hat, aus welchen Gründen er die Insolvenzreife der Gesellschaft nicht erkennen konnte oder warum die Zahlungen mit den Grundsätzen eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar waren.
Ausnahme: Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherung
Dies gilt jedoch nicht bei so genannten Pflichtenkollisionen des Geschäftsführers, also wenn er kraft Gesetzes oder unter Strafandrohung Zahlungen leisten muss. Ein Beispiel hierfür sind Zahlungen des insolventen Unternehmens auf den Arbeitnehmeranteil der Sozialversicherung. Dies hängt mit einem sonst entstehenden Konflikt mit dem Strafrecht zusammen. Wer insbesondere den Arbeitnehmeranteil nicht an die Sozialversicherungsträger abführt, macht sich strafbar. Der Geschäftsführer droht also in einem nicht lösbaren Konflikt zu geraten. Zahlt er die Beiträge zur Sozialversicherung bei Insolvenz nicht, macht er sich strafbar. Zahlt er sie, haftet er mit seinem Privatvermögen. Die Strafbarkeit gilt jedoch nur für die Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherung, nicht für die Arbeitgeberanteile. Daher entsteht der Konflikt auch nur für die Arbeitnehmeranteile. Diese muss und darf der Geschäftsführer daher abführen und zahlen, ohne sich deswegen strafbar zu machen. Es handelt sich dann in der Regel um Zahlungen, die in die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Geschäftsführer fallen.
Was gilt in der Covid19-Krise?
Zunächst ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags in der Zeit vom 1. März bis zunächst 30. September 2020 ausgesetzt, wenn ein Unternehmen vor dem 31. Dezember 2019 wirtschaftlich gesund war und wegen der Covid19-Krise zahlungsunfähig oder überschuldet wurde. Der Gesetzgeber will so verhindern, dass Unternehmen in die Insolvenz rutschen, obwohl sie noch auf Zusagen für Kredite oder Staatshilfen warten.
Auch die Haftung für Geschäftsführer für Zahlungen bei Insolvenzreife ist während der Covid19-Krise eingeschränkt. An sich gesunde Unternehmen sollen davor bewahrt sein, einen Insolvenzantrag stellen zu müssen, weil sie während der Covid19-Krise und den mit ihr einhergehenden Beschränkungen in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber Anfang März mit einem entsprechenden Gesetz die Vorschriften des Insolvenzrechts zunächst bis 30. September 2020 gelockert. Diese Lockerungen betreffen auch die an sich strenge Haftung eines Geschäftsleiters für Zahlungen während einer corona-bedingten Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.
Die wichtigste Lockerung ist: Während der Covid19-Krise gilt bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung jede Zahlung des Geschäftsführers, die dieser im normalen Geschäftsgang tätigt, also etwa Mietzahlungen oder Ausgleich von Lieferantenrechnungen, als mit der Sorgfalt eines gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Sie lösen daher keine Haftung aus. Dies gilt insbesondere für Zahlungen, die zur Aufrechterhaltung oder der Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts vorgenommen werden.
Der Gesetzgeber ist zuversichtlich, hierdurch die Geschäftsführer betroffener Unternehmen ausreichend geschützt zu haben. Allerdings gibt es zwei auf den ersten Blick unscheinbare Einschränkungen, die Geschäftsführer nicht ohne unterstützende Beratung durch die Covid19-Krise gehen lassen sollten: Erstens besteht nur dann keine Haftung des Geschäftsführers, soweit die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist. Sind die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt, etwa weil das Unternehmen bereits am 31. Dezember 2019 in „Schieflage“ war oder weil die Insolvenz auch ohne die Covid19-Krise eingetreten wäre, kann sich der Geschäftsführer nicht auf seinen Haftungswegfall berufen. Zweitens handelt es sich nur um die „Vermutung“, dass die Zahlungen im ordnungsgemäßen Geschäftsgang im Zeitraum 1. März bis zunächst 30. September 2020 mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführers vereinbar sind. Jede Vermutung ist jedoch an sich widerlegbar. Es ist daher damit zu rechnen, dass Insolvenzverwalter versuchen werden, Argumente für die Widerlegbarkeit zu finden.
Covid19-Krise – Was ist jetzt wichtig?
Die Regelungen zur Lockerungen des strengen Insolvenzrechts mindern das Risiko von Geschäftsführern, persönlich zu haften oder sich gar strafbar zu machen. Die Lockerungen bedeuten jedoch keinen „Freibrief“. Die Risiken für Geschäftsführer sind lediglich reduziert, nicht ausgeschlossen. Die Insolvenzantragspflicht ist trotz der Lockerungen der Insolvenzordnung nicht ausgesetzt, wenn das Unternehmen bereits am 31. Dezember 2019 zahlungsunfähig oder überschuldet war oder wenn keine Aussicht besteht, die eingetretene Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.
Geschäftsführer sollten daher auch in der Krise standardmäßig die Risiken einer eintretenden Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung im Blick haben. Insbesondere sollten Veränderungen in der Geschäftstätigkeit zwischen dem 31. Dezember 2019 und dem 1. März 2020 dokumentiert sein, damit die Unternehmen nachweisen können, dass die Covid19-Krise Auslöser der Unternehmenskrise ist und eine entsprechende Sanierung möglich ist und durchgeführt wird.
Zahlungen sollten stets darauf geprüft werden, ob sie zum ordentlichen Geschäftsgang gehören. Dies wird man für Zahlungen an Vermieter, Personal, Lieferanten und Service-Dienstleister in der Regel eher bejahen können. Die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen etwa dürften jedoch deutlich kritischer zu sehen sein.