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Direktvertrieb durch den Hersteller – Wettbewerb zum eigenen Händler

In der jüngeren Vergangenheit haben Hersteller die Vermarktung ihrer Produkte Vertragshändlern und Handelsvertretern überlassen. Vor allem der Verkauf als selektiver Vertrieb wurde oft gewählt, um den Wettbewerb “auszugliedern”. Durch den Direktvertrieb ihrer Produkte holen sich Hersteller und Unternehmen nun wieder Kontrolle über den direkten Verkauf Ihrer Produkte und Dienstleistungen zurück, die sie im Laufe der Zeit in ihr Vertriebssystem – sei es ein selektives Vertriebssystem oder eine exklusives Vertriebssystem – an Großhändler und die autorisierten Wiederverkäufer abgegeben haben. Der duale Vertrieb aus direktem Vertrieb über Händler und aus Direktvertrieb soll gleichsam “best of both worlds” zusammenfassen.

Die Renaissance des Direktvertriebs

Der Direktvertrieb – oftmals über einen eigenen Webshop des Unternehmens – hat einige Vorteile. Endkunden werden direkt beliefert, das Unternehmen erhält wieder direkten Kundenkontakt. Der Hersteller holt sich einen Teil der Marge zurück, die er Großhändlern, Vertragshändlern und Handelsvertretern für deren Vertriebsaktivitäten abgeben musste. Zudem erlangt der Anbieter beim Direktvertrieb die Möglichkeit, die Preise im Markt zu stabilisieren. Der Direktvertrieb hat jedoch auch einige Kehrseiten. Der Hersteller muss den Direktvertrieb oftmals neu aufbauen und auch für die Logistik sorgen, in der Wirtschaft oft ein größerem Problem, das Zeit und Geld kostet. Der Direktvertrieb bedeutet zugleich direkten Wettbewerb zu den Vertragshändlern im Vertriebssystem, was diese nicht einfach akzeptieren werden. Zugleich stellt sich die Frage, ob der Direktvertrieb im Rahmen eines Vertriebssystems – man spricht auf von dualem Vertrieb oder dual distribution – nach dem Vertrag rechtlich überhaupt zulässig ist, und falls ja, unter welchen Voraussetzungen. Als Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht und Fachanwalt für Handelsrecht und Gesellschaftsrecht begegnen mir bei der vertriebsrechtlichen Beratung meiner Mandanten zum Direktvertrieb und dem hiermit verbundenen dualen Absatz diese Fragen regelmäßig.

Zunächst sei klargestellt, dass der dualer Vertrieb nach der neuen Vertikal-GVO 720/2022 der Europäischen Kommission seit 1. Juni 2022 im internationalen und nationalen Vertrieb kartellrechtlich zulässig ist. Dies ist eine wesentliche Neuerung des Vertriebskartellrechts und gibt Unternehmern mehr Flexibilität beim Verkauf ihrer Produkte und Dienstleistungen. Unter der alten Vertikal-GVO war der duale Warenabsatz in der Kombination von Direktvertrieb und Vertriebssystemen mit Händlern und Handelsvertretern noch untersagt. Hersteller haben nun jedoch die Möglichkeit, sich selbst in den Verkauf einzuschalten und das gewählte Vertriebssystem zu ergänzen, vor allem mit einem eigenen Online-Shop, eigenen Social Media-Maßnahmen und eigenen Service-Dienstleistungen für Kunden.

Die Einführung des Direktvertriebs

Betreibt ein Hersteller oder Unternehmer bisher kein selektives Vertriebssystem oder exklusives Vertriebssystem wird der eigene Eintritt in den Markt vergleichsweise einfach sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn es keinen Vertrag mit dem jeweiligen Wiederverkäufer gibt, sondern dieser nur aufgrund punktueller Bestellungen beliefert wird. Denn in solchen Konstellationen ist dem Anbieter – wenn er nicht marktbeherrschend oder marktstark ist – in der Regel ohne weiteres erlaubt, die Belieferung des Abnehmers jederzeit einzustellen. Denn es existiert kein Vertrag, aus dem sich eine Lieferpflicht ergeben könnte. Besteht jedoch keine Lieferpflicht, können dem Abnehmer aus der Nichtbelieferung auch keine wirtschaftlichen oder rechtlichen Nachteile entstehen. Der Hersteller schuldet auch keinen Schadensersatz und kein “Unterlassen der Nichtbelieferung”. Folglich muss es der Abnehmer auch hinnehmen, dass der Hersteller selbst in seinen Direktvertrieb für den B2B-Bereich oder den B2C-Bereich investiert. Weder das Handelsvertreterrecht, noch das Handelsrecht, noch das Gesellschaftsrecht, noch das internationale Wirtschaftsrecht hindern ihn daran.

Steht der Anbieter jedoch mit Händlern in einer vertraglichen Beziehung, etwa weil diese selektiv oder für ein bestimmtes Gebiet exklusiv auf Grundlage eines entsprechenden Vertriebssystems beliefert werden, zieht das Recht einige Grenzen. Diese Grenzen ergeben sich nicht aus der neuen Vertikal-GVO 720/2022, die auf den gesamten Markt der Europäischen Union Anwendung findet, oder sonstigem Kartellrecht, das Regelungen zum den dualen Vertrieb zwischen Direktvertrieb und indirektem Vertrieb durch Vertriebssysteme wie dargestellt in vertikalen Vereinbarungen wie Händlerverträgen ausdrücklich zulässt. Die Grenzen können sich vielmehr aus den vertraglichen Regelungen und dem sonst anwendbaren deutschen Recht ergeben. Verbietet der Händler- oder Vertriebsvertrag dem Hersteller etwa den direkten Verkauf an Endkunden, darf er nicht ohne Weiteres mit dem Direktvertrieb beginnen. Ein solches Verbot kann sich auch indirekt aus einer Formulierung im Vertrag ergeben, nach der der Anbieter sich verpflichtet, nur an autorisierte Händler zu liefern. Er darf nicht an nicht-ausgewählte Händler und Endkunden vertreiben. Diese Einschränkung gilt dann für den grenzüberschreitenden Verkauf auf eigene Rechnung in Deutschland.

Selbst wenn der Direktvertrieb nicht ausdrücklich beschränkt ist und das Unternehmen daher in freien Wettbewerb zu seinen eigenen Händlern treten darf, heißt dies nicht, dass die zugelassenen Händler dies so akzeptieren müssten. Denn die Einführung des Direktvertriebs stellt eine Änderung des Vertriebs dar, wodurch der Händler einen Nachteil erleidet. Denn potentielle Kunden beliefert nun der Hersteller im aktiven Verkauf oder passiven Verkauf. Der Händler kann daher berechtigt sein, eine Ausgleichszahlung zu verlangen. Diese hängt zwar ihrerseits von bestimmten Voraussetzungen ab. Diese sollten in der anwaltlichen Beratung zur Einführung des Direktvertriebs jedoch berücksichtigt werden, damit der Anbieter beim neuen Wettbewerb mit seinen Händlern keine bösen Überraschungen erlebt. Dies gilt insbesondere beim selektiven Vertrieb, weil die ausgewählten Händler dort regelmäßig in das Marketing, die Ladenausstattung und den E-Commerce investieren müssen. Hersteller sind folglich gut beraten, ihre Händler zu informieren, wenn sie im nationalen oder internationalen Vertrieb durch dualen Vertrieb Wettbewerb erzeugen möchten.

Die kartellrechtlichen Grenzen des Direktvertriebs

Das Kartellrecht und das Vertriebsrecht beschränken jedoch den Informationsaustausch zwischen Anbieter und Händler, wenn der duale Direktvertrieb als weiterer Vertriebskanal eingeführt wird. Üblicherweise ist der Händler im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems vertraglich verpflichtet, in der einen oder anderen Form an den Unternehmer zu berichten, etwa Umsätze im Laden und E-Commerce, Produkte der Konkurrenz oder Feedback von Kunden. Im dualen Vertrieb stehen autorisierte Händler und das Unternehmen jedoch in Wettbewerb zueinander. Warum ist dies problematisch?

Der Wettbewerb zwischen Unternehmen und Händler besteht nicht nur untereinander als sogenannter Intrabrand-Wettbewerb. Zwischen beiden besteht folglich Konkurrenz um den Preis der Produkte – und Händlern darf der Wiederverkaufspreis nicht vorgegeben werden (vgl. Vertikal-GVO-720-2022-Preisvorgabe-Preisempfehlung-und-Preisvergleich). Internationales Vertriebsrecht und Kartellrecht in Form des Art. 101 Abs. 1 AEUV, erlauben Beschränkungen des Mehrmarken-Vertriebs und somit des Interbrand-Wettbewerbs ebenfalls nur in engen Grenzen. Viele autorisierte Händler vertreiben daher auch Produkte der Konkurrenz. Ist der Händler nun aus seinem Händlervertrag verpflichtet, dem Unternehmen allgemein Informationen zum Warenabsatz durch den Vertragshändler zu erteilen, würde er auch Informationen über die Produkte, die Rabattstruktur und die Marketingpläne der Konkurrenz erhalten. Dies gilt auch in die umgekehrte Richtung: Über den Händler könnte so ein starker Informationsaustausch zwischen konkurrierenden Herstellern stattfinden – so genannte hub and spoke-Situationen – die kartellrechtlich unzulässig sind. Beachtet ein Unternehmen bei der Einführung des Direktvertriebs nicht zugleich diese Grenzen des Informationsflusses, die das Kartell- und Vertriebsrecht setzen, besteht ein sehr hohes Risiko eines Verstoßes gegen geltendes Recht.

Zur Vertragsgestaltung

Unabhängig von der Vertriebsform sollte die Einführung des Direktvertriebs auch genutzt werden, um etwa bestehende Kategorien von Händlern, Vertriebsstrukturen und Rabattsystemen zu prüfen. Oftmals kann es auch angezeigt sein, den Handel darauf zu prüfen, ob alle Großhändler, Händler oder Handelsvertreter ihre Marge bzw. Provision wirklich verdienen. Möglichkeiten für Korrekturen des Vertriebsvertrags ergeben sich bei Verhandlungen bei Jahresvereinbarungen, wenn Rabatte nur für einen 12-Monats-Zeitraum vereinbart werden. Wie oben dargestellt, ist aufgrund des entstehenden Wettbewerbs zwischen Unternehmen und Vertragshändler der Informationsaustausch kartellrechtlich sehr kritisch. Unabhängig von der Vertriebsform als selektiver Vertrieb oder exklusiver Vertrieb muss sich die Informationspflicht des Vertragshändlers nach dem Vertriebsvertrag auf solche Informationen beschränken, die für die Durchführung des Vertriebsvertrags unerlässlich sind. Als Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht berate ich Unternehmen regelmäßig zu den Grenzen des dualen Vertriebs, des Direktvertriebs und zum Informationsaustausch im grenzüberschreitenden Vertrieb, etwa der DACH-Region, im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems.

Anwalt Gesellschaftsrecht und Handelsrecht

Dr. Andrelang, LL. M.

Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht

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