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Rabattsysteme in Vertriebsverträgen

Weder das europäische noch das deutsche Kartellrecht enthalten ein allgemeines Diskriminierungsverbot. Jedes Unternehmen ist daher im Grundsatz berechtigt, autorisierte Händler bei der Gewährung von Preisnachlässen auch ohne sachlichen Grund unterschiedlich zu behandeln. Auf den ersten Blick ist auch nicht recht einsichtig, warum Rabatte kartellrechtlich kritisch sein könnten. Die Händler profitieren von günstigen Preisen und der Hersteller von erhöhten Absätzen. Rabatte sind jedoch problematisch, wenn sie zu einer Verdrängung von Wettbewerbern führen.

1.     Rabatte und Kartellrecht

Eine Ausnahme von der grundsätzlichen Rabattfreiheit besteht jedoch für Unternehmen in beherrschender Stellung. Diese sind so genannte Normadressaten von kartellrechtlichen Vorschriften nach GWB, die die Ausnutzung einer marktbeherrschenden oder marktstarken Stellung verbieten. Die Rabattgewährung durch marktbeherrschende Unternehmen kann unmittelbar oder mittelbar entweder eine unbillige Behinderung von Wettbewerbern oder die Ungleichbehandlung von gewerblichen Abnehmern ohne sachlich gerechtfertigten Grund bewirkt werden. Besteht keine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung des Rabatt gewährenden Unternehmens, ist das Unternehmen in der Rabattgestaltung frei. Die jeweilige Marktstellung ist für jedes Produkt im Sortiment gesondert zu prüfen.

Ist das Unternehmen aufgrund seiner Marktstellung Normadressat, etwa weil andere Unternehmen von ihm abhängig sind, ist die jeweilige Rabattart näher auf ihre wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen zu prüfen. Treuerabatte etwa, die ein Abnehmer dafür erthält, dass er seinen ganzen oder einen Großteil seines Bedarfs mit den Produkten bei dem rabattgewährenden Unternehmen deckt, bedeuten eine mittelbare Bezugsbindung, die in einer Behinderung von Wettbewerbern resultieren kann. Dies gilt insbesondere auch für produkt- und sortimentsbezogene Umsatzrabatte. Ebenfalls sind die Dauer des Referenzzeitraums sowie Rabattsteigerungen in die kartellrechtliche Würdigung einzubeziehen.

Ist das missbräuchliche Verhalten eines Unternehmens in Form eines unzulässigen Rabattsystems zu sehen, ist unerheblich, ob der Rabatt in den Regelungen eines Vertriebsvertrags oder einer Jahresvereinbarung enthalten ist.

2.     Zur Marktstellung des Unternehmens

Nur Rabattstrukturen von marktbeherrschenden oder marktstarken Unternehmen können kartellrechtlich kritisch sein. Es ist also entweder eine marktbeherrschende Stellung oder eine marktstarke Stellung, die mit der Abhängigkeit von Händlern einhergeht, erforderlich, um Rabatte kartellrechtlich aus wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen würdigen zu müssen. Die Marktstellung hängt stets vom Marktanteil ab. Um den Marktanteil bestimmen zu können, ist der Markt sachlich und geografisch zu definieren. Alle Produkte und Dienstleistungen, die nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs austauschbar sind, bilden kartellrechtlich einen Markt. Marktbeherrschung wird nach § 18 Abs. 4 GWB ab einem Marktanteil von mindestens 40% auf den jeweils betroffenen Absatzmärkten angenommen. Unabhängig von Marktanteilen kommt die Missbräuchlichkeit einer Rabattstruktur auch in Betracht, wenn ein Unternehmen für einzelne Produkte als so genanntes marktstarkes Unternehmen anzusehen ist. Die Beschränkungen, die sich aus dem Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung ergeben, gelten nach § 20 Abs. 1 GWB auch für Unternehmen, „soweit von ihnen andere Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerbliche Dienstleistungen in der Weise abhängig sind, dass ausreichende oder zumutbare Möglichkeiten, auf dritte Unternehmen auszuweichen, nicht bestehen, und ein deutliches Ungleichgewicht zur Gegenmacht der anderen Unternehmen besteht (relative Marktmacht)“.

3.     Abhängige Unternehmen

Abhängigkeit besteht, wenn ein Abnehmer zur Erhaltung seiner Wettbewerbsfähigkeit auf das marktstarke Unternehmen angewiesen ist. In der Rechtsprechung haben sich bestimmte Fallgruppen für „Abhängigkeit“ herausgebildet.

Sortimentsbedingte Abhängigkeit besteht, wenn ein Händler eine bestimmte Ware führen muss, um konkurrenzfähig zu sein (Spitzenstellungsabhängigkeit), oder der Händler für seine Konkurrenzfähigkeit mehrere allgemein anerkannte Markenwaren anbieten muss (Spitzengruppenabhängigkeit). In der Regel beschränkt sich die sortimentsbedingte Abhängigkeit auf die Stellung als Fachhändler und auf Markenprodukte und -dienstleistungen und die Bekanntheit der Marke. Es kommt insoweit maßgeblich auf die Erwartung der Endkunden an, dass die Markenware bei dem Händler verfügbar ist. Nach der Rechtsprechung liegt sortimentsbedingte Abhängigkeit vor, wenn „das Fehlen der Ware im Angebot des Händlers, bei dem der Verkehr das Angebot als selbstverständlich voraussetzt, zu einem Verlust an Ansehen und zu einer wichtigen Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit führt“ oder wenn „ein Hersteller aufgrund der Qualität und Exklusivität seines Produkts ein solches Ansehen genießt und eine solche Bedeutung erlangt hat, dass der nachfragende Händler in seiner Stellung als Anbieter darauf angewiesen ist, gerade auch dieses Produkt in seinem Sortiment zu führen, und sich daher vorhandene Möglichkeiten auf andere Hersteller auszuweichen, nicht als ausreichend und zumutbar erweisen (BGH, Beschl. v. 12.9.2023- KZR 39/21, NZKart 12/2023 – Matratzenpreisbrecher; BGH, Urt. v. 9.5.2022 – KZR 28/98, NJW-RR 2000, 1286 – Designer Polstermöbel).“

Die sortimentsbedingte Abhängigkeit muss dabei für jeden Markt gesondert geprüft und festgestellt werden. Bei der sortimentsbedingten Abhängigkeit ist unerheblich, ob der betroffenen Händler seine Abhängigkeit selbst herbeigeführt hat oder ob die Abhängigkeit auf einer einvernehmlichen, insbesondere vertraglichen, Entscheidung mit dem marktstarken Unternehmen beruht. Entscheidend ist, ob die Produkte des rabattgewährenden Unternehmens  aus unternehmerischer Sicht nicht gegen die Produkte anderer Anbieter und Wettbewerber ausgetauscht werden können. Ist dem so, wäre das rabattgewährende Unternehmen für das jeweilige Produkte als „marktführend“ angesehen werden.

Ein Abnehmer ist unternehmensbedingt abhängig, wenn einem Abnehmer das Ausweichen auf andere Hersteller und Lieferanten unzumutbar ist, weil der Abnehmer aufgrund bestehender Geschäftsverbindungen in eine existenzielle Abhängigkeit zu dem Hersteller bzw. Lieferanten geraten ist. Im Verhältnis zwischen Hersteller und Händler ist erforderlich, dass der Händler seine Vertriebspolitik auf bestimmte Marken und Artikel eingestellt hat und er deswegen nicht ohne Weiteres auf andere Marken oder Artikel ausweichen kann. Unternehmensbedinge Abhängigkeit hat vor allem Bedeutung in den Märkten Kfz-Neuwagenvertrieb und Kfz-Zulieferer. In diesen Märkten sind oftmals erhebliche Investitionen der Händler- bzw. Zulieferunternehmen für die jeweilige Marke bzw. die Produktion bestimmter Teiel erforderlich, so dass eine Umstellung auf eine andere Marke oder ein anderes Produkt nicht ohne erhebliche neue Investitionen, die die Schwelle der Existenzgefährdung erreichen müssen, möglich wäre (BGH, Urt. v. 26.1.2016 − KZR 41/14, NZKart 2016, 285 – Jaguar Vertragswerkstatt).

4.     Rabattart

a.      Kritische Rabatte und Sogwirkung

Ohne marktbeherrschende oder marktstarke Stellung bestehen gegen Rabatte und die ungleiche Gewährung von Rabatten keine Bedenken. Doch auch im Fall einer marktbeherrschenden bzw. marktstarken Stellung führt nicht jeder Rabatt aufgrund seiner Voraussetzungen und seiner Zielrichtung zu einer unbilligen Behinderung von Wettbewerbern oder zu einer Ungleichbehandlung von Abnehmern ohne sachlich gerechtfertigten Grund. Rabatte führen zu einer unbilligen Behinderung von Wettbewerbern, wenn von ihnen eine starke Sogwirkung ausgeht, die dazu führt, dass die Händler ihre Bezüge beim Normadressaten konzentrieren, um auf diese Weise in den Vorteil geringerer Preise zu gelangen. Dagegen sind Rabatte sachlich gerechtfertigt, wenn der Rabatt eine konkrete Einzelleistung des Abnehmers in Bezug nimmt und eine gewisse Kostenersparnis beim verkaufenden bzw. abgebenden Unternehmen reflektiert. Steht ein Rabatt folglich im Zusammenhang mit einer konkreten Leistung des Händlers, sind Rabatte auch für marktbeherrschende bzw. marktstarke Unternehmen zulässig, wenn das Rabattsystem einheitlich auf alle gleichartigen Händler angewendet und nur aus sachlich gerechtfertigten Gründen abgewichen wird.

b.      Treuerabatte

Im Übrigen kommt es auf die konkrete Ausgestaltung der Rabatte an, insbesondere auf den Referenzzeitraum, die Rabattstaffelung, die Bezugsgröße (Menge, produkt- oder sortimentsbezogener Umsatz, Anteil der Bedarfsdeckung), die Maximalhöhe des Rabatts und den Auszahlungszeitpunkt an. Treuerabatte entfalten eine kartellrechtswidrige Sogwirkung zulasten von Wettbewerbern, wenn sie von marktbeherrschenden bzw. marktstarken Unternehmen gewährt werden. Treuerabatte vergüten explizit, dass ein Händler bzw. Abnehmer seinen gesamten oder einen Großteil seines Bedarfs bei dem marktbeherrschenden bzw. marktstarken Unternehmen deckt. Treuerabatte haben daher das Ziel, den Bezug von Wettbewerbern zu beschränken.

c.       Umsatzrabatte

Als kartellrechtlich kritisch werden Umsatzrabatte angesehen, wenn sie produkt- oder sortimentsbezogenen ausgestaltet sind. Produktbezogene Umsatzrabatte beziehen sich auf den Umsatz mit einer bestimmten Ware und damit auf die Abnahmemenge mit einem Produkt in einem bestimmten Referenzzeitraum. Sie sind gerechtfertigt, wenn sie Kostenersparnisse des marktbeherrschenden bzw. marktstarken Unternehmens weitergeben und der Referenzzeitraum unterhalb eines 12-Monats-Zeitraums liegt. Sortimentsbezogene Umsatzrabatte knüpfen die Rabattgewährung an die Abnahme ganzer Sortimente an Softwarelösungen und können daher leichter als andere Rabatte bewirken, dass ein Händler versucht, seinen gesamten Bedarf beim marktbeherrschenden bzw. marktstarken Unternehmen zu decken, so dass hierdurch eine Sogwirkung zulasten von Wettbewerbern entsteht. Sortimentsbezogene Umsatzrabatte werden daher für marktbeherrschende bzw. marktstarke Unternehmen als kartellrechtlich unzulässig angesehen.

Ein Gesamtumsatzrabatt, dessen Referenzzeitraum quartalsweise strukturiert ist, wird demgegenüber auch für marktbeherrschende bzw. marktstarke Unternehmen als zulässig erachtet. Voraussetzung ist jedoch, dass der Rabattsatz nicht überproportional zur Volumenmenge steigt. Die Höhe des Rabatts darf sich daher nicht im Verhältnis zur Umsatzsteigerung überproportional erhöhen. Denn dies kann im Einzelfall eine gesteigerte Anreizwirkung für den Händler haben, zulasten der Wettbewerber einen hohen Umsatz mit den rabattierten Produkten zu generieren. Zum anderen kann dies zu einer Ungleichbehandlung der Händler ohne sachlich gerechtfertigten Grund führen, wenn gleiche Umsätze mit derselben Softwarelösung zu unterschiedlichen Rabatten führen, weil sich der Gesamtbezug rabatterhöhend auswirkt. Wenn Abnehmer mit einem großen Umsatzvolumen etwa höhere Investitionen in Mitarbeiter, Schulungen, Vertrieb oder Marketing auf sich nehmen, wäre dies in die Abwägung im Rahmen der Billigkeitsprüfung bzw. sachlichen Rechtfertigung zu berücksichtigen.

d.      Mengenrabatte

Unproblematisch sind so genannte Mengenrabatte, deren Höhe von der Abnahmemenge der jeweiligen Einzellieferung abhängt und die keine Rabattsprünge enthalten und hierdurch Kostenersparnisse des Lieferanten widerspiegeln. Unechte Mengenrabatte knüpfen dagegen an die abgenommene Menge innerhalb eines Referenzzeitraums an und haben daher eine unzulässige Sogwirkung zulasten der Wettbewerber.

5.     Zusammenfassung

Es kommt daher auf die Marktstellung des Unternehmens, das die Rabatte gewährt, und die Wirkungen der Rabatte auf Konkurrenzprodukte an. Liegt der Marktanteil des Verkäufers auf den jeweiligen Märkten jeweils unterhalb von 40%, § 18 Abs. 4 GWB, können sich die Händler und Endkunden zu angemessenen Bedingungen bei anderen Bezugsquellen, also Wettbewerbern, eindecken. Dies gilt entsprechend, wenn Händler nicht sortimentsbedingt oder unternehmerisch abhängig sind, § 20 Abs. 1 GWB. Es kommt dabei immer auf den jeweiligen Produktmarkt an. Je breiter gefächert das Produktsortiment des Herstellers ist, desto aufwändiger ist die kartellrechtliche Prüfung und das Risiko, dass eine Marktbeherrschung oder eine Abhängigkeit nicht ausgeschlossen werden können.

Anwalt Gesellschaftsrecht und Handelsrecht

Dr. Andrelang, LL. M.

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