Der Fall Wirecard macht deutlich, dass kein Unternehmen vor kriminellen Machenschaften des Managements und der Geschäftsführung geschützt ist. Ein GmbH-Geschäftsführer kann sich in vielerlei Hinsicht strafbar machen und durch die Verletzung von Pflichten hohen Schaden verursachen. Insolvenzverschleppung, Veruntreuung von anvertrauten Geldern, Bestechung von Vertragspartnern, Bestechlichkeit durch Annahme von Vorteilen oder Betrug sind häufige Fälle.
Geschädigte haben bei unerlaubten Handlungen, wie zum Beispiel Straftaten, einen Schadensersatzanspruch gegen den handelnden Geschäftsführer. Auch Verletzung des Kartellrechts können einen Schadensersatzanspruch begründen. Dazu zählen insbesondere Preisabsprachen mit Wettbewerbern oder unerlaubte Beschränkungen des Wettbewerbs in vertikalen Vereinbarungen mit Händlern, etwa Preisvorgaben.
Einer wirksamen Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs steht jedoch oft die Vermögenslosigkeit oder die Insolvenz des Geschäftsführers entgegen. Denn ein GmbH-Geschäftsführer, der sich etwa der Korruption oder eines sonstigen Vergehens nach strafrechtlichen Vorschriften des StGB schuldig gemacht hat, muss mit der Einziehung seines Vermögens, Geldstrafen oder Geldbußen und Verfahrenskosten rechnen. Trotz seiner persönlichen Haftung ist dann bei dem Geschäftsführer für Geschädigte oftmals nichts mehr zu holen.
Die Gesellschaft, für die der Geschäftsführer handelte, haftet jedoch unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls auf Schadensersatz für die Schäden, die der Geschäftsführer durch seine Handlungen verursacht hat:
Haftung für Pflichtverletzung des Geschäftsführers
Ein GmbH-Geschäftsführer haftet zunächst der eigenen Gesellschaft auf Schadensersatz, wenn er seine Sorgfaltspflichten verletzt. Dies ist so im GmbH-Gesetz klar geregelt, und gilt auch für die GmbH & Co. KG. Diese Haftung des Geschäftsführers mit seinem Privatvermögen nach dem GmbH-Gesetz besteht jedoch nur im Innenverhältnis zur Gesellschaft. Dritte, also Vertragspartner der Gesellschaft, die durch eine Straftat des Geschäftsführers geschädigt wurden, können sich auf die Verletzung von Sorgfaltspflichten gegenüber der Gesellschaft nicht berufen. Der gesetzliche Schadensersatzanspruch nach dem GmbH-Gesetz steht nur der Gesellschaft zu und muss von der Gesellschafterversammlung geltend gemacht werden.
Es gibt jedoch Konstellationen, in denen die Gesellschaft die Haftung für eine Pflichtverletzung der Geschäftsführung gegenüber dem Geschädigten übernehmen muss. Denn die Gesellschaft ist für jeden Schaden verantwortlich, den der Geschäftsführer einem Dritten durch eine Handlung zufügt, die der Geschäftsführer im Rahmen der ihm als Geschäftsleiter übertragenen Pflichten ausführt. Mit anderen Worten: Die Gesellschaft muss mit ihrem GmbH-Vermögen dafür gerade stehen, wenn der Geschäftsführer einen Schaden verursacht. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Gesellschafterversammlung von dessen Handlungen Kenntnis hatte. Die Gesellschafterversammlung und alle Gesellschafter sind daher gut beraten, sich stets zu vergewissern, dass alle Geschäftsführer – auch Gesellschafter-Geschäftsführer – als ihre Angestellten stets mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes handelt.
Mit dieser Haftung der GmbH sind keine vertraglichen Schadensersatzansprüche gemeint, die geschädigte Unternehmen aus der Verletzung von vertraglichen Pflichten gegen die Gesellschaft haben. Der Vermieter von Geschäftsräumen kann beispielsweise von der mietenden Gesellschaft die Zahlung der Miete und die Beseitigung von Schäden verlangen. Dies ist klar. Doch in solchen Fällen hat der GmbH-Geschäftsführer keine unerlaubte Handlung begangen. Gemeint sind bei Haftung der GmbH für Handlungen des Geschäftsführer solche Fälle, in denen dieser Geschäftsführer eine unerlaubte Handlung, insbesondere eine Straftat oder einen kartellrechtlichen Verstoß, begeht und hierdurch bei einem Dritten einen Schaden verursacht. Die Gesellschaft kann sich dann nicht darauf berufen, dass sie ja gar nicht wollte, dass die Geschäftsführung eine Straftat beging. Diese Entschuldigung funktioniert nicht. Denn das BGB ordnet eine zivilrechtliche Haftung der Gesellschaft an, in denen der Geschäftsführer Dritten einen Schaden zufügt.
Bestechung durch GmbH-Geschäftsführer
Häufiger sind Fälle von Korruption im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB), auch bekannt unter Bestechlichkeit und Bestechung. Entscheidet sich etwa der GmbH-Geschäftsführer, den Einkäufer eines Kunden besondere Vorteile, etwa Geldzahlungen oder die Teilnahme an Luxus-Events, zukommen zu lassen, damit seine GmbH von einer unlauteren Bevorzugung bei der Auftragsvergabe profitiert, ist dies nicht nur ein Handeln gegen lauteren Wettbewerb. Es ist ein klarer Fall von Korruption im geschäftlichen Verkehr in Form der Bestechung und damit eine Straftat. Korruption funktioniert auch umgekehrt als Bestechlichkeit: Lässt sich ein Geschäftsführer im geschäftlichen Verkehr bezahlen, damit er einem Unternehmen einen Auftrag erteilt und mit ihm einen Vertrag abschließt, macht er sich ebenfalls strafbar.
Wichtig ist hierbei, dass eine Bestechung nicht fahrlässig begangen werden kann. Ging der GmbH-Geschäftsführer nachvollziehbar davon aus, dass es sich bei der “Extra-Zahlung” um eine Provision für eine Vermittlungsleistung handelte, handelte er nur fahrlässig und macht sich auch nicht strafbar. Dementsprechend haften Geschäftsführer dann auch nicht auf Schadensersatz. Bestechung erfordert immer ein vorsätzliches Handeln, wonach der Geschäftsführer zumindest billigend in Kauf nahm, dass eine Bestechung im geschäftlichen Verkehr vorliegen könnte. Nimmt er selbst Gelder für die Auftragsvergabe oder unlautere Bevorzugung an, handelt er stets vorsätzlich.
Während sich immer nur der Handelnde persönlich strafbar machen kann, droht anderen Geschäftsführern, dass sie gemeinsam der Haftung auf Schadensersatz unterliegen. Ein Schadensersatzanspruch wegen einer Pflichtverletzung eines Geschäftsführer trifft immer auch alle anderen Geschäftsführer, aber nur gegenüber der Gesellschaft, nicht jedoch gegenüber Dritten. Allerdings können Geschädigte einen etwaigen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen einen ihrer Geschäftsführer im Wege der Zwangsvollstreckung pfänden, wenn sie ihren Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft durchsetzen.
Verstöße gegen Kartellrecht
Im Bereich Kartellrecht ist das Risiko von Rechtsverletzungen ebenfalls groß. Kartellrechtliche Schadensersatzklagen beschäftigen die Gerichte in der EU immer häufiger. Auch wenn Verstöße gegen Kartellrecht in Deutschland – vom Fall des Submissionsbetrugs in Vergabeverfahren einmal abgesehen – nicht strafbar sind, gibt das Kartellrecht Unternehmen, die durch Preisabsprachen zwischen Wettbewerbern überhöhte Preise zahlten, einen gesetzlichen Schadensersatzanspruch. Die Geschädigten sind regelmäßig darauf angewiesen, dass entsprechende Verfahren des Bundeskartellamts oder der Europäischen Kommission abgeschlossen sind. Aber solange diese Verfahren laufen, tritt keine Verjährung des Schadensersatzanspruchs nach § 33 GWB ein. Die Haftung erstreckt sich dabei auf alle Schäden, die aufgrund des kartellrechtswidrigen Verhaltens, insbesondere der Verkauf zu kartellbedingt erhöhten Preisen, eingetreten sind. Der eingetretene Schaden und damit das Risiko einer Haftung können dabei beträchtlich sein.
Auch wo eine Verletzung von Kartellrecht keinen Schaden verursacht und damit keinen Schadensersatzanspruch begründet, besteht ein erhebliches Risiko für das GmbH-Vermögen. Bei der Vorgabe von Wiederverkaufspreisen an den Handel etwa dürfte ein Schaden regelmäßig nicht oder nur sehr schwer nachweisbar sein. Neben dem Schadensersatzanspruch drohen der Gesellschaft, die Verletzung von Kartellrecht durch ihren Geschäftsführer begangen hat, allerdings auch Bußgelder wegen der Verletzung von Kartellrecht. Kartellrechtliche Compliance, also interne Regelungen und Schulungen zur Einhaltung des Kartellrechts und Wettbewerbsrechts, sollte daher in jeder Gesellschaft groß geschrieben und umgesetzt werden.
Haftungsrisiko der Gesellschaft bei Straftat – Zivilrechtliche Haftung gegenüber Dritten
Werden die GmbH-Gesellschafter mit strafbaren Handlungen der Geschäftsführung und einem Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens aus der Verletzung von gesetzlichen Regelungen konfrontiert, ist das Entsetzen regelmäßig groß. Die GmbH-Gesellschafter werden durch einen Beschluss in der Gesellschafterversammlung den jeweiligen Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung entlassen und abberufen. In der Praxis ist die neue Geschäftsführung vor die großen Herausforderungen gestellt “aufzuräumen”, also den geltend gemachten Schadensersatzansprüchen nachzugehen und jeden eigenen Anspruch der Gesellschaft gegen die ehemalige Geschäftsführung auf Schadensersatz zu prüfen und ebenfalls geltend zu machen. Dies erfordert regelmäßig die Hinzuziehung externer Berater und ist zeit- und kostenaufwändig. Die Gesellschafter werden sich auch dem Vorwurf ausgesetzt sehen, dass ihnen die Machenschaften der GmbH-Geschäftsleiter verborgen geblieben sind.
Unternehmen, die gegen eine GmbH wegen unerlaubten Handlungen deren Geschäftsführung Schadensersatzansprüche geltend machen wollen, müssen zunächst die Straftat bzw. die Verletzung von Kartellrecht nachweisen. Erst dann haftet der Geschäftsführer. Diese Haftung geht analog § 31 BGB auf die GmbH über. Es ist also stets zunächst zu prüfen, ob eine unerlaubte Handlung des Geschäftsführers vorliegt, die dessen Pflicht zur Leistung von Schadensersatz begründet, um diesen dann gegen die Gesellschaft geltend machen zu können.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Geschäftsführer “in den besten Absichten” handeln wollte und das Geschäft für die Gesellschaft oder das andere Unternehmen einen Vorteil brachte. Allein die Tatsache, dass etwa eine Zahlung oder ein Vorteil erfolgte (Bestechung) oder er eine Zahlung annahm (Bestechlichkeit), begründet die Strafbarkeit. Der GmbH-Geschäftsführer kann sich also nicht auf die positiven Effekte seiner unternehmerischen Entscheidungen berufen. Straftaten sind nie von der so genannten Business Judgement Rule, also dem unternehmerischen Ermessen der Geschäftsführung, gedeckt.
Im Übrigen wird eine Zahlung regelmäßig in den Preis oder die Vergütung “eingepreist” sein, so dass hierin auch der Vermögensschaden gesehen wird. Entsprechend haften Geschäftsführer auf Schadensersatz. Hinzukommt, dass der Vertrag im Fall der Bestechung bzw. Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr sittenwidrig und damit unwirksam ist. Das geschädigte Unternehmen kann daher als Schadensersatz die Rückzahlung der gezahlten Vergütung verlangen. Ist ein Vertrag unwirksam, besteht kein Anspruch darauf, eine Zahlung behalten zu dürfen. Es kann dann zwar eine übliche Vergütung verlangt werden; diese kann jedoch hinter der ursprünglich vereinbarten Zahlung weit zurückbleiben. Auch insoweit besteht also ein hohes Haftungsrisiko, dass auch zur Insolvenz des betroffenen Unternehmens führen kann.
Zusammenfassung
Wenn ein Unternehmen Opfer von Straftaten oder Kartellrechtsverstößen durch die eigene Geschäftsführung oder die eines anderen Unternehmens wurde, sollte es stets Schadensersatzansprüche prüfen. Liegen Hinweise vor, dass der GmbH-Geschäftsführer des anderen Unternehmens unerlaubt handelte, können sich Schadensersatzansprüche nicht nur gegen ihn, sondern auch gegen das anderen Unternehmen richten.